Wir sind auf eine kritische Nachbereitung zum Knastspaziergang in Stammheim gestoßen auf die wir hier gerne verweisen und dokumentieren wollen:
Vorne weg ein paar Gedanken zum Knastspaziergang an sich: Der Knastspaziergang in Stammheim hat sich in den letzten Jahren zu einem beeindruckenden Event entwickelt. Im ach so spießigen Stuttgart haben sich jährlich mehrere Hundert Personen an einer militanten, unangemeldeten Demonstration beteiligt. Die Demonstration hat die Isolation der politischen und sozialen Gefangenen durchbrochen. Der Knast ist aktuell das härteste Repressionsmittel des Staates, mit einer militanten Demonstration, die sich nicht von den Bullen einschüchtern oder einschränken ließ, gelang es in den letzten Jahren dieses Symbol der Repression umzukehren und die Demo zu einem Symbol des Widerstandes zu machen.
Die Demonstration war auch in den letzten Jahren somit nicht nur ein Erfolg für die Linke Bewegung in Stuttgart und darüber hinaus. Sie war auch ein Dorn im Auge der Repressionsbehörden. Es ist wohl nicht abwegig zu vermuten, dass ein gewisser politischer Druck bestand, die TeilnehmerInnen der Demonstration „in ihre Schranken zu weisen“. Dass dieses Jahr die Kräfteverhältnisse etwas anders als in den letzten Jahren aussehen würden, war kurze Zeit vor Demobeginn klar. Die Bullen hatten groß aufgefahren, mehrere Hundertschaften, Wasserwerfer, Räumpanzer, …
Eigene Fehler
An diesem Punkt müssen wir einige Fehler eingestehen, die schließlich in dem Kessel vor der JVA Stammheim gemündet haben. Ein wichtiges Ziel des Knastspaziergangs war schon immer, der Kontakt zu den Gefangenen. Mit dem Hintergedanken an einen Punkt zu gelangen, an dem die Gefangenen die Demonstration und das Feuerwerk sehen und hören können, haben wir folgenreiche Fehleinschätzungen getroffen und sind zu hohe Risiken eingegangen. Anstatt das Großaufgebot der Bullen in Verbindung mit den abstrusen Auflagen – Feuerwerk sei genehmigt, solange es sich nicht auf Gebäude oder Personen richte – als Kampfansage einzuordnen, ließen wir uns von der Hoffnung täuschen, dass die Demo, nachdem wir die Strecke bis vor den Knast laufen konnten, auch den Knast umrunden könne.
Uns ist bewusst, dass wird mit dieser Entscheidung unserer Verantwortung für die Demonstration und alle TeilnehmerInnen nicht gerecht geworden sind. Das müssen wir selbstkritisch reflektieren und aus den gemachten Fehlern für kommende Proteste lernen.
Ausblick
Klar ist, dass der Knastspaziergang nicht nochmal so laufen darf, wie dieses Jahr. Wie genau die Konsequenzen für nächstes Jahr aussehen ist allerdings noch nicht klar. Sollte sich herausstellen, dass die Stuttgarter Polizei auch zukünftig keine Proteste in Stammheim mehr zulassen will, müssen wir andere Wege suchen, um unseren Widerstand gegen Repression auf die Straßen zu tragen und unsere Solidarität auch für die Gefangenen selbst hör- und spürbar zu machen. Ein eindrückliches Beispiel haben einige GenossInnen am Tag nach Silvester geliefert und dem Verfassungsschutz einen Besuch abgestattet. Stuttgart ist groß und Gelegenheiten, die Bullen auf Trab zu halten, gibt es an Silvester viele …
Auf ein revolutionäres Jahr 2020!