Nach Jahrzehnten erfolgloser Fahndung durch Polizei und Inlandsgeheimdienst wurde Daniela Klette am 27. Februar in Berlin verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Mit enormem Aufwand, medial inszenierter Öffentlichkeitsfahnung und SEK-Stoßtrupps wird seitdem im Dauereinsatz in Berlin nach den Untergetauchten Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub gefahndet. Im Zuge dessen werden fast täglich Wohnungen durchsucht und bisher zehn Personen zwischenzeitlich festgenommen.

Daniela, Burkhard und Ernst-Volker werden der sogenannten “Dritten Generation” der Stadtguerilla-Organisation “Rote Armee Fraktion” zugeordnet. Hier nur einige Worte zu den drei bekanntesten Aktionen dieser Phase.

Im Dezember 1989 exekutierte die Organisation Alfred Herrhausen, der als Chef der Deutschen Bank eine zentrale Figur des deutschen Kapitals und laut RAF-Erklärung “mächtigster Wirtschaftsführer in Europa” war. Im April 1991 traf es den Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder, der an zentraler Stelle dafür sorgte, das ehemalige Volkseigentum der DDR an Banken und Konzerne zu verramschen. In ihrer Erklärung dazu schrieb die RAF: “Die Arbeit der Treuhand bedeutet für die Menschen mehr als den Verlust ihres Arbeitsplatzes, die Schließung der Betriebe und die Ausrichtung auf Profit von allem, was an Neuem hochgezogen werden soll. In diesem Prozess soll Land und Leuten die Struktur aufgezwungen werden, die das internationale Kapital für seine Herrschaft braucht. Es geht um die Ausrichtung aller Werte auf seine Prinzipien, die neben dem materiellen Elend von Millionen Arbeitslosen auch die Armut in den Köpfen und Herzen der Menschen bedeutet.”

Der letzte Anschlag der Stadtguerilla-Organisation im März 1993 galt dem Neubau der JVA Weiterstadt in Hessen. Mit mehreren Sprengladungen von insgesamt 200kg zerstörten sie große Teile der noch nicht in Betrieb genommenen Knast-Anlage, nachdem sie das anwesende Wachpersonal zuvor in Sicherheit gebracht hatten. In ihrer Erklärung gingen sie unter anderem auf die Vorreiterrolle der JVA Weiterstadt in der Modernisierung des Knastsystems ein, auf die “technologische Perfektion von Isolation und Differenzierung von gefangenen Menschen” und darauf, dass die JVA als Abschiebeknast auch Teil der rassistischen staatlichen Geflüchtetenpolitik werden sollte.

Politik und Medien überbieten sich mit Darstellungen der RAF als “Inbegriff von Terror und Mord” und entpolitisieren ihre Mitglieder als “Kriminelle”, denen es nicht um die Sache einer gerechten Welt, sondern um Mord und Totschlag ging. Hingegen kaum erwähnt werden geschichtliche Fakten zur Entstehung der RAF – wie auch vieler weiterer Stadtguerilla-Gruppen in diesen Jahren. Entstanden aus der Student:innenbewegung der 68er, agierte die RAF in einer Phase des Aufbruchs, in der viele nationale Befreiungsbewegungen in Afrika, Lateinamerika und Asien bewaffnet für ein Ende imperialistischer Vorherrschaft kämpften. Und in der die USA – mit Hilfe der BRD – in Vietnam einen barbarischen Krieg mit hunderttausenden Todesopfern gegen eine dieser Befreiungsbewegungen und die gesamte Zivilbevölkerung führten. Dabei versprühten sie unter anderem täglich Millionen Liter Gift (u.a. Agent-Orange) über dem Land. Eine Phase, in der die Bullen mit voller Härte gegen die aufflammende Student:innenbewegung vorging , besonders bekannt ist der Mord am Studenten Benno Ohnesorg. Ebenfalls verschwiegen wird gerne der Umstand, dass alte Nazi-Eliten in höchsten Ämter in Politik, Wirtschaft und Sicherheitsbehörden der BRD ein- und ausgingen, als hätte es keinen Faschismus gegeben.

Mit Sicherheit haben wir Differenzen zur politischen Linie, Praxis und Strategie der RAF, die sich im Laufe der Zeit immer mehr von der Arbeiter:innenbewegung und einer proletarischen Klassenposition entfremdete, sich zeitweise sehr stark auf den Kampf gegen Repression, das Knastsystem und für die Freilassung ihrer Genoss:innen fokussierte und keine sichtbaren Anstrengungen für den Aufbau von Organisationen anstellte, die auch im legalen Raum agieren können. Trotz allem ist die RAF Teil unserer revolutionären Geschichte im antagonistischen Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung, Kriege und für eine befreite Gesellschaft. Auch wenn das Stadtguerilla-Konzept scheiterte, ist eine heutige Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der RAF und den Gründen des Scheiterns unverzichtbar.

Die konkreten Vorwürfe gegen die Genoss:innen sind Raubüberfällen und Beteiligung an Anschlägen, bei denen niemand zu Schaden kam (Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank, Amerikanische Botschaft, JVA Weiterstadt). Dass der deutsche Staat deswegen eine derartige Jagd und Machtdemonstration inszeniert, hat wenig mit der kriminalistischen Brisanz der Sache zu tun. Es geht um Politik und um das Hier und Jetzt: Der Staat demonstriert in unsicher werdenen Kriegs- und Krisenzeiten Handlungsfähigkeit und Härte gegen Links. Sein Angriff richtet sich damit auch gegen diejenigen, die die aufbrechenden politischen Widersprüche heute als Ausgangspunkt für den Aufbau von Gegenmacht und für militante Interventionen begreifen: Gegen Faschisten und Bullen, Klimakiller-Konzerne und deutsche Kriegstreiber.

Es geht den Herrschenden mit ihrer aktuellen Repressions-Kampagne darum, den bewaffneten Kampf an sich zu delegitimieren. Das wird ihnen aber auch unter größten Anstrengungen nicht gelingen. Die Ursachen für bewaffneten Klassenkampf liegen in der Unversöhnlichkeit der Klassenwidersprüche im Kapitalismus und im Gewaltapparat der Herrschenden. Auf welchem Niveau der Widerstand schließlich stattfindet, ist dann eine Frage der Zuspitzung von Widerspruchsdynamiken, des Charakters und des Entwicklungsgrades der politischen Kräfte, die darin agieren.

Es geht den Herrschenden um eine präventive Botschaft an alle, für die klar ist, dass sich die Frage der Konkretisierung revolutionärer Gegenmacht auch in Zukunft wieder auf verschiedenen Ebenen stellen wird. Innenministerin Nancy Faeser machte das kurz nach der Verhaftung Danielas deutlich, als sie sagte: “Niemand solle sich im Untergrund sicher fühlen.” Das richtete sich offensichtlich gegen Links. Die aktuell knapp 500 Nazis, die wegen offenen Haftbefehlen “gesucht” werden, dürften erstmal keinen Grund zur Beunruhigung haben.

Der Fall von Daniela zeigt aber auch, dass es möglich war, trotz Verfolgungswillen seitens staatlicher Behörden, jahrelang unentdeckt in der Hauptstadt zu leben. Erfahrungen wie diese sind nicht unwichtig. Die politische Auseinandersetzung und Beziehung zum Kampf der gejagten Genoss:innen fällt heute natürlich schwer, weil die RAF schon lange nicht mehr existiert, weil sie sich nicht äußern kann und auch weil es wenig personelle und politische Kontinuität zwischen der damaligen Kampfphase und heute gibt. Neben der notwendigen Verteidigung und (auch kritischen) Aneignung dieses Teils unserer Geschichte, gilt es jetzt eine Solidarität mit den Gejagten und Gefangenen aufzubauen, die der Mobilisierung des Denunziantentums in der Bevölkerung entgegensteht. Das ist auch eine wichtige Verbindungslinie, zum Umgang mit den aktuell gesuchten Antifaschist:innen aus dem Budapest- und Antifa-Ost-Komplex und dem im vergangenen Frühjahr untergetauchten Stuttgarter Genossen.

Viel Glück und Kraft allen Genoss:innen, die sich derzeit den Fängen des Staates entziehen!
Freiheit für Daniela!
Der Kampf gegen den Kapitalismus lässt sich nicht befrieden!