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Es kann kaum ernsthaft in Frage gestellt werden, dass die aktuelle Bildungspolitik in der BRD, wie auch in den meisten anderen Ländern verheerend ist. Lediglich eine kleine Elite und kapitalistische Unternehmen profitieren von den Entwicklungen der letzten Jahre. Es gibt also allen Grund dafür, dass in der Woche vom 15. bis zum 19. Juni bundesweit zehntausende Menschen in rund 80 Städten an Protestaktionen teilnehmen werden. Gemeinsam mit SchülerInnen und Studierenden werden auch viele Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der DGB Jugend auf die Straße gehen, Ver.di empfiehlt ebenfalls die Teilnahme. Auch zahlreiche linke Gruppen beteiligen sich an den Mobilisierungen und fordern alle dazu auf, die Proteste zu unterstützen und sich nach Möglichkeit zu beteiligen.

Kapitalismus und Krise

Dass die Mobilisierung zumindest ansatzweise spektrenübergreifend stattfindet, ist nicht nur für ihre Größe von Bedeutung. Gerade heute, in einer der wohl größten weltweiten Krise des Kapitalismus ist es um so wichtiger, dass diejenigen, auf die die Folgen der Krise abgewälzt werden sollen zusammen aktiv sind. Der Bildungsbereich lässt sich nicht isoliert betrachten, die dort stattfindenden Einschnitte können nicht isoliert verstanden, geschweige denn entscheidend verändert werden. Alle aktuellen Entwicklungen – Kürzungen im sozialen Bereich, ständige Privatisierungen, d.h. Ausrichtung aller Bereiche nach Profitinteressen, Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, Betriebsschließungen etc. – haben ihre Ursache naturgemäß im ökonomischen und politischen System. Nach ein paar Jahrzehnten, in denen dieses System zumindest in den kapitalistischen Zentren bzw. den „Industrienationen“ weitgehend als soziale oder zumindest funktionierende Marktwirtschaft erschien, wird sein tatsächlicher Charakter auch hier immer deutlicher. Kurz zusammengefasst, werden mit wachsenden Schwierigkeiten die Profite weiter zu steigern, bzw. als Unternehmen oder Standort im sich zuspitzenden weltweiten Konkurrenzkampf zu bestehen, auch die letzten Schranken fallen gelassen. Was übrig bleibt ist immer mehr allein die unbeschönigte Grundlage des Kapitalismus: Profit und Verwertung – egal ob im Bildungs- oder Gesundheitsbereich, in den Fabriken, dem Dienstleistungssektor oder bei der sozialen Absicherung.

Diese Entwicklung hat noch viele weitere Aspekte, die Zerstörung der Umwelt etwa, deren Schutz lediglich theoretisch profitabel wäre, dem jedoch im kapitalistischen Chaos aus Konkurrenz, kurzfristigem Profitstreben und fehlender Verantwortung nur in Phrasen Bedeutung zukommt. Auch militärische Aufrüstung und Kriege, um den Zugang zu billigen Rohstoffen und Märkten, spielen in dieser Situation eine größer werdende Rolle – die BRD ist längst wieder direkt und indirekt an Krieg und Besatzung beteiligt, die Rüstungsausgaben insbesondere der EU-Staaten und der USA erreichen regelmäßig neue Rekordmarken. Hinzu kommt die innere Aufrüstung in Form von Gesetzesverschärfungen, der Aufrüstung der Polizei und immer weitergehenden Überwachungsmaßnahmen, um Revolten der abgehängten Bevölkerungsschichten ebenso wie politischen Widerstand bereits im Keim ersticken und den Kapitalismus auch in noch so verheerenden Krisenzeiten aufrechterhalten zu können.
Die Aufzählung ließe sich natürlich noch weiter fortführen und vertiefen, an dieser Stelle soll stattdessen aber ein für die aktuellen Proteste wichtiger Aspekt herausgestellt werden: Je klarer sich die Notwendigkeit abzeichnet, den Kapitalismus zu überwinden, desto intensiver wird von seinen Profiteuren und Verwaltern mitsamt ihren Medien seine Alternativlosigkeit propagiert. Die nicht zuletzt aufgrund der vielen Angriffe gescheiterten sozialistischen Versuche werden tausendfach durch die Medien getragen und dabei auf billigste Weise verzerrt dargestellt. Angebliche Experten warnen vor „Radikalen“ jeder Art, die „die schwierige gesellschaftliche Situation für ihre Zwecke nutzen“ könnten. Selbst die in weiten Teilen harmlose Linkspartei wird, wenn sie auch nur die richtigen Fragen stellt, als Hort des Bösen gebrandmarkt und damit auf Anpassung getrimmt. Die Botschaft ist klar: An eine ernsthafte Veränderung der Verhältnisse darf noch nicht einmal gedacht werden. Wenn schon Forderungen aufgestellt werden, haben diese gefälligst im Rahmen dieses Systems zu bleiben, sich an seine Spielregeln zu halten – und damit zu verpuffen.

Kapitalismus abschaffen
Her mit dem schönen Leben!

Die unterschiedlichen Mobilisierungen und Aktivitäten ob gegen die untragbare Situation im Bildungswesen, gegen Sozialabbau, Aufrüstung, den Ausbau der Polizei- und Überwachungsapparate oder Streiks wie aktuell der ErzieherInnen, sind in jeglicher Hinsicht notwendig und wichtig. Sie setzen nicht nur unmittelbare Forderungen auf die Tagesordnung, sondern helfen uns die Vereinzelung und damit unsere Schwächung zu überwinden. Sie bringen uns neue Erfahrungen und zeigen sowohl unsere Stärke als auch unsere noch vorhandenen Unzulänglichkeiten auf. In ihnen entwickeln sich Solidarität, Selbstbewusstsein und Organisierungsansätze. Nicht zuletzt ziehen sie auch den Trennungsstrich zwischen denen die fortschrittliche Veränderungen anstreben und denen die für die Beibehaltung dieser Verhältnisse oder deren Verschärfung stehen.

Neben den unmittelbaren Aktivitäten dürfen wir jedoch nicht die Perspektive, die alle diese Kämpfe verbinden muss, aus dem Auge verlieren. Das Grundproblem ist das kapitalistische System, das auf Profitstreben, Kapital-Verwertung und Konkurrenz beruht, das darauf aufbaut, dass eine Minderheit die Produktionsmittel besitzt, die Mehrheit ausbeutet, manipuliert und unterdrückt. Dieses System hat es auch ohne seine aktuellen Krisenerscheinungen schon lange verdient überwunden zu werden. Es enthält uns schließlich grundsätzlich die Selbstbestimmung über unsere Lebens- und Arbeitsverhältnisse vor und durchzieht die ganze Gesellschaft mit seinen menschenverachtenden Grundprinzipien. Eine Welt, in der nicht immer neuere Waffen und Kriegsstrategien entwickelt und Unmengen an Ressourcen dafür vergeudet werden, in der Bildung und Gesundheit keine Waren sind und der Schutz der Umwelt hohen Stellenwert hat, ist keine weltfremde Utopie, sondern eine schlichte Notwendigkeit.
Eine sozialistische Gesellschaftsordnung die den gesellschaftlichen Reichtum und die Produktivkräfte zum Wohle aller einsetzt, entwickelt und verteilt und auf der gemeinsamen Solidarität aufbaut, muss heute auf die Tagesordnung.
Unsere vielfältigen Organisierungen müssen folglich weiter entwickelt, vernetzt und zusammengeschlossen werden. Sie müssen perspektivisch die Ebene der Abwehrkämpfe verlassen und offensiv die Machtfrage stellen. Die vielen einzelnen Kämpfe müssen zusammengeführt werden, in die Offensive kommen und in einer starken Organisierung münden, die sich mit nicht weniger zufrieden gibt, als dem Umsturz der herrschenden kapitalistischen Verhältnisse und dem Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung.

Für eine andere Bildung
Die Politik der bürgerlichen Parteien im Bildungsbereich ist bekannt: die stetige Umbildung von Schulen und Universitäten nach wirtschaftlichen Interessen. Das bedeutet inhaltliche Anpassung an die Interessen der Wirtschaft, sowie Einsparungen, bzw. Abwälzung möglichst vieler Kosten an SchülerInnen und Studierende – Zuschüsse gibt es lediglich für die Elite. Kurz: Bildung heißt für sie mit möglichst geringen Kosten Fachkräfte für die Unternehmen heranzubilden.
Was das bedeutet erleben wir täglich: Die Einführung von Studiengebühren, das Bachelor/Mastersystem und die Schulzeitverkürzung durch G8. Studiengänge und Institute die nicht den Interessen der Wirtschaft dienen werden einfach abgeschafft. Es gibt vielfach zu wenig Lehrpersonal und -materialien, überfüllte Klassen und Vorlesungen. Mitspracherecht von SchülerInnen und Studierenden ist, wenn überhaupt, nur formell vorhanden und ihr Einbringen wird eher verhindert als gefördert. Die soziale Selektion wurde weiter erhöht, Schulabgängern ohne reiche Eltern ist es heute fast unmöglich zu studieren ohne einen Kredit aufzunehmen, d.h. sich mit tausenden Euro zu verschulden. All das parallel zu den Phrasen aller bürgerlicher Parteien, wie wichtig ihnen die Bildungspolitik sei…

Forderungen nach Änderungen und Proteste gegen weitere Verschärfungen sind heute mehr als notwendig. Wir dürfen dabei aber nicht stehen bleiben, sondern müssen sie als Sprungbrett für eine grundlegenden Kritik am kapitalistischen Bildungssystem und entsprechendem Handeln und Organisieren nutzen. Bildung muss für alle ohne Einschränkung möglich und nach den Interessen der Menschen, nicht nach der Logik von Verwertung und Profit ausgerichtet werden. Bildung muss bedeuten, dass wir uns Wissen und Fähigkeiten nach unseren Bedürfnissen und Interessen aneignen, kritisches und selbstständiges Denken und Handeln entwickeln – nicht dass wir zu Rädchen im System werden!

Wie das konkret aussehen kann, können wir nicht nur durch eine Kritik am jetzigen Zustand bestimmen. Alternative Vorlesungswochen, wie vom 15. bis zum 19. an den Unis in Stuttgart, lassen zumindest erahnen, was sich am Unibetrieb ändern kann. Auch dort wo bereits konkrete Schritte in Richtung Überwindung des Kapitalismus mit der Perspektive einer sozialistischen Gesellschaftsordnung gemacht werden, lassen sich heute bereits Ansätze finden: In Venezuela entscheiden beispielsweise die Studierenden welche Studiengänge eingeführt werden, nicht wirtschaftliche Interessen. Menschen aus armen Schichten wird immer weiter der Zugang zu den Universitäten möglich gemacht. Kostenlose Schulen und Bildungskampagnen werden nicht nur in Venezuela aufgebaut, sondern in Zusammenarbeit mit anderen linken Kräften in Lateinamerika auch den Menschen in anderen Ländern zur Verfügung gestellt.