Am 26. September ist die Bundestagswahl. So unterschiedlich sich die bürgerlichen Parteien jetzt auch geben: Sie alle haben in den vergangenen anderthalb Jahren Corona-Pandemie bewiesen, dass die Sorgen und Probleme der Arbeiter:innenklasse für sie ganz hinten anstehen. Arbeitslosigkeit und Lohneinbußen durch Kurzarbeit für die Einen, übermäßiger Arbeitsdruck für Andere. Überforderung bei der Betreuung und Pflege von Kindern und Angehörigen, noch weniger soziale Teilhabe und Bildungsmöglichkeiten für Menschen in Armut: Die Betroffenen mussten selbst über die Runden kommen, während milliardenschwere Rettungspakete für Konzerne schnell zur Hand waren. Und es zeichnet sich ab, dass es ähnlich weitergeht. Um die Milliardenausgaben zur Krisenbewältigung auszugleichen und um Klimazielen in Zukunft wenigstens annähernd nachzukommen, stehen vor allem Pläne im Raum, die dort ansetzen, wo es die Verantwortlichen am wenigsten schmerzt: Bei der Masse der Arbeiter:innen. Die Erhöhung der CO2-Steuer, also der Spritpreise, ist schon ausgemacht und die Heraufsetzung des Renteneintrittsalter auf 68 steht zur Debatte.
Es macht natürlich einen Unterschied, welche Partei eine Bundesregierung stellt und welchen Kurs sie einschlägt, um die Staatsfinanzen und den Wirtschaftsstandort zu retten. Dass es dafür weitere Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen geben wird, ist gewiss. Genauso gewiss ist aber, dass Widerstand dagegen notwendig und möglich ist!
Die CDU bleibt ihrem Kurs mit unternehmensfreundlicher Steuerpolitik und möglichst niedrigen Sozialausgaben treu. Die aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich ignoriert sie dabei ebenso wie die Pannen der eigenen Politik in der Corona-Krise. Eine Partei der Bonzen und Privilegierten, die ihren Besitzstand und ihren Einfluss bewahren wollen. So konservativ und profillos wie diese Linie ist auch ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet. Ihn kümmern nicht einmal mehr die Widersprüche zwischen seinen Worten und seiner Politik: Erst für die Weiterführung des extrem CO2-intensiven Braunkohletagebaus einstehen, nach der Flutkatastrophe dann davon reden “alles gegen den Klimawandel“ zu tun. Eine Steuerpolitik in Aussicht stellen, die Reiche schont und Lohnabhängigen nichts bringt, und dann „Entlastungen der Bürger“ versprechen. Der CDU geht es in erster Linie um „Entlastungen“ für das eigene Klientel und für ihre Connections in die Kapitalistenklasse: Millionenschwere Korruptionsgeschäfte mit Schutzmasken von einer ganzen Reihe ihrer Bundestagsabgeordneten, der Pharma-Lobbyismus und das Luxusleben eines Jens Spahn, ein Philipp Amthor, der für Aktienoptionen Kontakte ins Wirtschaftsministerium herstellt… Ein großer Teil der Partei wünscht sich eine noch viel offener neoliberale Politik. Und Friedrich Merz ist das Aushängeschild dieser Fraktion: Er hält nicht nur wenig von Frauenrechten und Migrant:innen, sondern sieht seine Aufgabe vor allem darin, Multimillionären wie ihm die Geldanhäufung zu erleichtern. In Laschets Wahlkampfteam sorgt er für die klaren Worte.
Als fortschrittliche Alternative zu diesem Kurs präsentieren sich die Grünen und sind damit erfolgreicher als je zuvor – trotz der Schmutzkampagnen von CDU/CSU und aus rechten Kreisen. Gründe für grünen Aufschwung sind sicher, dass sie als diejenigen erscheinen, die den Klimawandel ernst nehmen, alte Geschlechterrollen aufbrechen und sich moderner als die klassischen „Volksparteien“ geben. Sie verkaufen sich als könnten sie den Kapitalismus ganz frisch gestalten. Dabei ist es eigentlich umgekehrt. Es ist der Kapitalismus, der die Grünen gestaltet und für den sie neue Perspektiven entwickeln: 2020 gehörten zu ihren Großspendern unter anderem der Arbeitgeberverband Südwestmetall, der Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie und der Automobilkonzern Daimler. Dieselben Chefetagen, die sich seit Jahrzehnten dem Klimaschutz verweigern, investieren nun in eine Zukunft in der sie mit etwas „sauberer“ Technologie weiter an der Ausplünderung von Rohstoffen und der Ausbeutung von Arbeiter:innen festhalten können. Weniger Öl für Verbrennungsmotoren, dafür mehr Lithium für Akkus – das verlagert das Problem lediglich. Es beinhaltet weder eine Abkehr vom PKW-Individualverkehr, der Städte und Umwelt längst schon überlastet, noch bietet es eine Perspektive für die Arbeiter:innen, deren Arbeitsplätze durch diesen Wandel nun bedroht sind. Beides wäre nur gegen die Konzerninteressen umsetzbar und dafür sind die Grünen nicht zu haben
Es ist nur konsequent, dass die Partei derzeit auch die letzten Reste ihres Images als „Friedenspartei“ hinter sich lässt. Dass die Grünen keine Scheu davor haben, die Interessen deutscher Kapitalisten auch militärisch durchzusetzen ist seit der rot-grünen Beteiligung am Jugoslawienkrieg Ende der 90er kein Geheimnis mehr. Damals war ihre Begründung der Einsatz für Menschenrechte, während es eigentlich um die Osterweiterung von EU und NATO ging. Heute sorgen sie sich vorgeblich um „Europas Souveränität“, während es ihnen eigentlich um eine EU geht, die sich mit Deutschland an der Spitze als Großmacht aufführen soll. Das richtet sich in erster Linie gegen Russland und China und dafür gibt sich die Partei aktuell kriegslüsterner als alle anderen. Ihr Bundesvorsitzender Robert Habeck fordert Waffenlieferungen an die kriegsführende Ukraine und posierte jüngst mit Stahlhelm in der Ostukraine Nahe der russischen Grenze. Es braucht schon ein sehr lockeres Verhältnis zum Thema Krieg, um sich genau 80 Jahre nach dem Beginn des Vernichtungskriegs der deutschen Stahlhelme gegen die Sowjetunion, gerade dort in einer solchen Montur ablichten zu lassen.
Es sind nicht die CDU und die Grünen allein, die bei der Wahl eine Rolle spielen. Sie sind es aber, die die stärksten politischen Trends der Kapitalistenklasse vertreten. Die SPD ist politisch betrachtet zur Junior-Partnerin der CDU geworden.
Sie hat sich schon so lange und so weit davon entfernt, eine Partei der „Arbeiter:innen“ zu sein, dass es sich nicht lohnt, sich hier weiteres Mal darüber auszulassen. Dazu passt ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der sich als Hamburger Innensenator für Brechmittelfolter im Polizeieinsatz eingesetzt und Banker bei ihrer milliardenschweren Steuerhinterziehung mit den Cum-Ex-Geschäften gedeckt hat, während er als Finanzminister die Besteuerung von Großkonzernen verhindert. Seine Chancen stehen gut, nicht weil die SPD eine andere, sozialere Linie einschlagen würde, sondern weil er sich als Person besser verkauft als Baerbock oder Laschet. Die FDP wird weiter auf den hinteren Rängen bleiben. Ihre Politik steht im Kern dafür, möglichst wenig staatliche Einmischung in die Geschäfte der Reichen zuzulassen. Damit ist sie nicht viel mehr, als eine Ergänzung, die auf der Seite der Kapitalisten immer wieder gern gesehen ist, aber selbst keinen starken Krisenkurs vorgeben kann.
Anders ist das bei der AfD. Sie ist zwar noch weit davon entfernt, die Regierungsmacht zu übernehmen und wird von den anderen Parteien noch größtenteils gemieden. Sie hat in den letzten Jahren aber größeren gesellschaftlichen Einfluss erlangt. Mit ihrem Rassismus und Nationalismus bedient sie nicht nur menschenfeindliches Denken und ist eng mit dem rechten Mob auf der Straße verbandelt. Sie ist vor allem deshalb gefährlich, weil sie Wut und Unmut gegen Sündenböcke und gegen Links richtet, anstatt gegen die Verantwortlichen für soziale Probleme. Das macht den AfD-Haufen zu den aggressivsten Gegnern wirklicher Veränderung. Und es macht sie zu einem Teil dieses Systems, in dem sie sich verankern können, ohne ernsthaft daran gehindert zu werden.
Es schadet nicht, am 26. September linken Parteien und Kandidat:innen, die sich klar gegen den Kurs der bürgerlichen Parteien und gegen Rechts richten, ein Kreuzchen zu geben. Die Entlarvung und Kritik der herrschenden Politik ist überall wichtig. Und natürlich sollte sie auch im Bundestag nicht unwidersprochen bleiben. Aber die Vorstellung dadurch wirklich etwas zu ändern, oder eine linke Regierungspolitik herbeizuwählen, die dem Kapitalismus ein Schnippchen schlägt und unsere Interessen an Stelle von denen der Banken und Konzerne in den Mittelpunkt stellt, hat nichts mit der Realität zu tun. Diese Wahl ist nicht die Lösung für unsere Probleme.
Selbst die Kämpfe führen!
Viel wichtiger ist es jetzt, selbst die Kämpfe zu führen, die für eine bessere Welt notwendig sind. Und die werden nicht im Plenarsaal ausgetragen, sondern dort, wo die verschiedenen Klasseninteressen aufeinandertreffen: Es ist die absolute Mehrheit in diesem Land, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um über die Runden zu kommen. Alle Arbeitskämpfe, die gegen Unternehmensleitungen oder den Staat geführt werden, um Lohn und Arbeitsbedingungen zu verbessern, können dazu beitragen, unsere gemeinsamen Interessen an einem Leben in Wohlstand und Sicherheit zu stärken und das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten verschieben. Vorausgesetzt wir lassen und nicht spalten und stehen solidarisch zusammen – gerade in der Krise!
Und auch im Protest und Widerstand gegen ihre Umweltzerstörung, ihre Kriege, gegen rassistische Diskriminierung und eine Geschlechterordnung, die Frauen benachteiligt und ihnen den Großteil der Pflege und Versorgungsarbeiten aufzwingt, steckt das Potenzial für grundlegende Veränderung. Keiner dieser Missstände liegt in der Natur des Menschen, sie liegen in der Natur des Kapitalismus. Und sie können mit ihm überwunden werden. Der Gegenentwurf, den wir dafür brauchen, wird von den Herrschenden gehasst und verteufelt und ist auch deshalb offensichtlich eine wirkliche Alternative zu diesem System: Es geht um eine sozialistische Revolution und Aufbau einer klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft! Die Ansätze dafür entstehen dort, wo wir als Klasse gemeinsam in Bewegung kommen, wo wir den Mund aufmachen, auf die Straße gehen und uns selbstständig organisieren. Dort wo wir ihnen unbequem werden und ihrer Macht spürbar etwas entgegensetzen. Das ist die Politik, die jetzt zählt und dafür brauchen wir keine Wahlzettel.
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