Im folgenden dokumentieren wir einen Beitrag von Yannis Youlountas: Die neue Regierung in Griechenland leitet eine beispiellose Offensive gegen die libertäre und selbstverwaltete Bewegung ein. Der neu gewählte rechte Premierminister Kyrikas Mitsotakis hat öffentlich versprochen, noch in diesem im Sommer Exarchia „zu säubern“ und die anarchistische Gruppe ‘Rouvikonas’ (1) zu zerschlagen. Über das „berühmt-berüchtigte“ Viertel und die nur schwer fassbaren Gruppe hinaus, wird auch die gesamte linke Szene mit verschiedenen repressiven Maßnahmen ins Visier genommen.

Wieder einmal gibt das, was in Griechenland geschieht, Anlass zum Nachdenken. Über das, was in anderen Teilen Europas vorbereitet wird, wie sich der Kapitalismus auf dem ganzen Kontinent immer weiter verpanzert und die Gesellschaften immer autoritärer werden. Diesmal geht es in erster Linie darum, die anarchistische Projekte zu sanktionieren, indem ihre revolutionären politischen Ziele selbst als unmittelbare Bedrohung und damit strafbare Handlung gewertet werden. Oder kurz gesagt: Verboten werden. Nicht anarchistische Projekte als solche, sondern als Kunstgriff die Kreation eines “bedrohlichen Umfeldes”, das eine “Gefahr für die soziale Ordnung und den bürgerlichen Frieden” darstelle.

Insbesondere im konkreten Fall von ‘Rouvikonas’ ist es laut der Regierung angebracht, die direkten, aber unblutigen Aktionsformen in die Kategorie der “terroristischen Handlungen” einzustufen (Artikel 187a des griechischen Strafgesetzbuchs), mit schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen für alle Mitglieder der Gruppe. Schlimmer noch, der griechische Staat wird systematisch alle Mitglieder von ‘Rouvikonas’ für alle Maßnahmen verantwortlich machen, die selbst (auch nur) von einem der Mitglieder der Gruppe ergriffen werden. Mit anderen Worten, wenn ein staatliches Büro morgen früh von fünf Mitgliedern der Gruppe zerstört würde, würden die hundert anderen Mitglieder ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden. Das Strafgesetzbuch wird nicht nur geändert, um diese bevorstehende Offensive, die vor einem Monat angekündigt wurde, zu verschärfen, sondern es werden auch die staatlichen Ressourcen verstärkt, um Exarchia und dann das gesamte antiautoritäre Milieu in Griechenland zu treffen. 2000 Polizist*Innen werden abgestellt um Exarchia zu überwachen und zu erobern.

Dabei lässt sich die griechische Polizei von französischen Spezialeinheiten beraten (Danke Macron!) In diesem Zusammenhang erinnern wir unter anderem an die französische politische und wirtschaftliche Unterstützung des Ben Ali Regimes in Tunesien. Hier stellte die französische Polizei Ausrüstung für das Regime bereit. Michele Alliot-Marie (2) hatte damals sogar vorgeschlagen CRS Einheiten nach Tunesien zu entsenden. Und dies zu einer Zeit, in der scharf auf Regimegegner geschossen wurde.

Die traditionelle linke Rückzugszone, die Polytechnische Hochschule, bekannt für ihre historische Rolle beim Aufstand gegen die Diktatur im Jahr 1973, und auch bei den Aufständen 2008 und 2014 wichtiger Ort des Widerstandes, soll nun unter Polizeiaufsicht gestellt werden. Das Universitätsasyl (3) soll ganz abgeschafft werden. Der Staat sendet auch eindeutige Signale in Richtung der Repressionsorgane: Epaminondas Korkoneas, der Polizist, der kaltblütig Alexis Grigoropoulos mit seiner Dienstwaffe ermordet hatte, wurde freigelassen mittlerweile freigelassen (4). Polizist*Innen die sich beim Einmarsch nach Exarchia darauf vorbereiten, die Schusswaffe einzusetzen, dürfen nun von Straffreiheit ausgehen.

Sollte der Staat sich entscheiden, Exarchia im Herbst angreifen, dürfte der Herbst heißer als der heißeste griechische Sommer ausfallen. Eine Verteidigung des gesamten Stadtteils wäre gar von historischer Dimension. Während die ganze Welt weiter faschistischer wird, surfen in Griechenland, wie in Frankreich, die Pseudodemokraten auf der Welle der Rechtsextremisten. Kein Wunder, dass hierbei die Gegner der autoritären Welt an erster Stelle der Feindesliste stehen.

Weitere Informationen, Vorschläge und Texte werden in den kommenden Tagen und Wochen, insbesondere aus Exarchia kommen. Vielen Dank für alle grenzüberschreitende Solidarität, auch trotz oder bei politischen Differenzen.

Yannis Youlountas

(1) Die Gruppe ist bekannt für ihre diversen öffentlichkeitswirksamen Attacken, bei denen eher symbolische Sachschäden entstehen, von denen dann aber während der Aktionen gedrehte Videoclips im Netz auftauchen

(2) Ehemalige französische Außenministerin mit engen Verbindungen zum tunesischen Regime. Machte während der Revolte 2011 Urlaub im Land, flog im Privatjet eines Vertrauten von Ben Ali durch die Weltgeschichte und ihre Eltern machten unterdessen Immobiliengeschäfte mit dem Regime. Musste dann zurücktreten.

(3) Den Bullen ist es seit dem Sturz des Obristen Regimes untersagt Universitätsgelände zu betreten, auch wenn von diesen Orten militante Aktionen ausgehen. Ausnahmeregelungen gab es in der Vergangenheit nur äußerst selten.

(4) Ursprünglich wegen Mord zu lebenslanger Haft verurteilt, reduzierte ein Gericht die Strafe vor wenigen Tagen auf 13 Jahre. Aufgrund „guter Führung“ wurde der Bulle innerhalb weniger Tage frei gelassen. Dies führte am 31.7.2019 zu Straßenkämpfen in Exarchia. Zuvor hatten sich viele Menschen an dem Ort versammelt, an dem Alexis erschossen wurde.

Quelle und Orginal: http://blogyy.net/2019/07/31/grece-la-chasse-aux-anarchistes-est-ouverte/?cprotect=1