Der Öffentliche Dienst streikt! Und das ist wunderbar, denn jede Verbesserung unserer Leben haben wir als Arbeiter:innenklasse erkämpft oder wurde durch Druck durchgesetzte. Unsere allgemeinen Perspektiven auf den Öffentlichen Dienst und auf die Ver.di Forderungen findest du hier. Aber der Öffentliche Dienst hat wichtige Besonderheiten. Er ist der Arbeitsbereich in Deutschland mit den meisten Frauen*. Hier findest du unsere Perspektive zum feministischen Streik in dieser wichtigen Tarifrunde.

Eine weitere Besonderheit ist seine Breite. Von Kliniken, über Kitas bis hin zu Verkehrsbetrieben kämpfen zehntausende Kolleg:innen. Und weil wir denken dass gerade in der Frage der Mobilität und Klimabewegung die Kolleg:innen aus dem ÖPNV eine zentrale Rolle spielen können, haben wir uns hierzu hier geäußert.

Es streiken und kämpfen aber nicht nur die Arbeiter:innen Deutschlands. In aller Welt kommt es gerade zu Abwehrkämpfen gegen neoliberale Reformen, zu Streiks für mehr Lohn und für gesellschaftliche Anerkennung. Deshalb haben wir hier geschrieben.

Wir wollen mit dieser Streikzeitung einerseits den Streik im Öffentlichen Dienst unterstützen und andererseits Perspektiven bieten die über den berechtigten Kampf für mehr Lohn hinausgehen. Genau deshalb sagen wir: Für mehr Lohn und gegen den Kapitalismus!

Übersicht der Artikel:

Kämpfen lohnt sich – Kapitalismus vs. Öffentlicher Dienst
Warum uns die Art der Forderungen nicht egal sein kann!
Ohne Frauenkampf geht nichts
Wieso Klima- und ÖPNV-Streik zusammengehören
Klassenkämpfe in Frankreich und Großbritannien
Wer sind wir?

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Kämpfen lohnt sich

Wir könnten in einer Gesellschaft leben, in der jeder und jede im Krankheitsfall die Behandlung erfährt, die er oder sie braucht. Eine Gesellschaft mit ausreichend Krankenhausbetten und genug Pflegepersonal, mit flächendeckender Versorgung in den Städten und auf dem Land. Wir könnten in einer Gesellschaft leben, in der alle Kinder, unabhängig vom Elternhaus, die Erziehung erfahren, die sie in ihrer Persönlichkeit achtet und sie befähigt ein gutes und erfülltes Leben zu führen. Wir könnten in einer Gesellschaft leben, in der öffentliche Infrastruktur und Versorgung so organisiert sind, dass wir ein Leben nahezu frei von materiellen Nöten führen würden. Einer Gesellschaft in der Mobilität, Strom-, Gas- und Wasserversorgung kostenlos allen zustehen.

Die Realität ist eine andere. Die Missstände etwa im Gesundheitsbereich, im Erziehungswesen, in der Grundversorgung der Bevölkerung, sind aber kein Ergebnis von „Missmanagement“ durch die Politik. Das System funktioniert genauso wie es soll.

Kapitalismus vs. Öffentlicher Dienst

Viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst kennen es nur allzu gut: Arbeitsverdichtung und Personalmangel bedeuten Stress und Überlastung. Gleichzeitig wird das Geld wegen der Teuerungen immer knapper. Das gilt für Beschäftigte in Ämtern, Kitas, Schulen, Krankenhäusern, in der Abfallwirtschaft, der Grünflächenpflege oder im Nahverkehr. Die Folgen? Allein im Erziehungswesen fehlen bis 2030 sage und schreibe 230.000 Fachkräfte. Schuld daran ist vor allem ein Sparkurs, den Bund, Länder und Kommunen auf dem Rücken der Beschäftigten fahren.

Und der trifft den Großteil der Bevölkerung: Kita-Plätze sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Ämterbesuche werden zu Geduldsproben und während der letzten Krankheitswelle gab es in den Krankenhäusern nicht genügend Kapazitäten, um alle betroffenen Kinder zu behandeln.

Der Staat zieht sich aus der Verantwortung. Das führt einerseits dazu, dass die Privatisierung des sozialen Bereichs immer weiter voranschreitet. Der Zugang zu Erziehung und Pflege wird vermehrt vom Angebot profitorientierter Unternehmen und damit auch vom Geldbeutel abhängig gemacht. Andererseits werden gesellschaftliche Aufgaben wie Erziehung und Pflege mehr ins Private gedrängt, wenn z.B. Öffnungszeiten in Kitas gekürzt werden oder bezahlbare Pflegeplätze fehlen. Für Lohnabhängige bedeutet das einen schwierigen Spagat zwischen Job und häuslicher Arbeit. Für Viele, z.B. Alleinerziehende, ist das schon heute kaum zu schaffen. Es sind vor allem lohnabhängige Frauen, denen diese Mehrfachbelastungen zuerst aufgedrückt werden.

Überlastete und zu wenige Beschäftigte in der Daseinsfürsorge auf der einen Seite, mangelnde Angebote und Leistungen für die Bevölkerung auf der anderen. Die Ursache ist ein Staat, der sich den Interessen des Kapitals verschrieben hat. Für diejenigen mit dickem Geldbeutel, die sich eine private Kinderbetreuung leisten können und nicht wissen wie es ist, von Ämtern abhängig zu sein, ist das kein Problem. Für den Großteil der Bevölkerung aber sollte es Grund genug sein, etwas grundsätzlich zu verändern!

Warum der Sparkurs?

In den aktuellen Tarifverhandlungen setzen die Kommunen den Sparkurs um. In welchem Rahmen sie sich bewegen, wieviel Geld im Gesamten für den öffentlichen Dienst in diesem Land zur Verfügung steht, wird aber auf anderer Ebene bestimmt: Dafür sind die Interessen und Richtungsentscheidungen der stärksten Teile der deutschen Kapitalistenklasse, der Banken und Konzerne ausschlaggebend. Sie sind eng mit der Regierungspolitik verbandelt und beeinflussen sie stark. Ein kurzer Blick auf die profitablen „Nebenjobs“ aktiver Politiker:innen, die Lobbyarbeit von Wirtschaftsverbänden und die Abhängigkeit ganzer Bundesländer von einzelnen Großkonzernen wie RWE oder Tesla reicht, um einen Eindruck davon zu bekommen.

Dieser herrschende Block in Deutschland hat in diesen Zeiten, in denen die kapitalistische Wirtschaft weltweit kriselt und die Kriegsbereitschaft wächst, ganz andere Interessen, als den öffentlichen Dienst auszubauen. Für die Mächtigen in diesem Land geht es jetzt darum, sich in der harten internationalen Konkurrenz zu behaupten. Dafür wird militärisch aufgerüstet, und das in bisher ungekannten Ausmaßen: 100 Milliarden für die Bundeswehr waren schnell beschlossen und schon jetzt kündigt der Verteidigungsminister an, dass das nicht ausreichen werde. Der letzte Coup war die Rettung des Gasimporteurs Uniper mit schlappen 51 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Die aktuelle Forderung von ver.di: 10,5% Lohnerhöhung, mindestens aber 500 Euro mehr, würden den Staat pro Jahr nur etwa 1,4 Milliarden Euro kosten.

Es ist offensichtlich wo die Prioritäten liegen: Die Krisenbewältigung der Herrschenden soll auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Wir sollen in der Krise alle zusammenstehen und den wachsenden Gegensatz zwischen Arm und Reich in Deutschland zu vergessen.


Kämpfen lohnt sich!

Diese ganze Situation hat aber auch noch eine andere Seite. 5 Millionen Beschäftigte, deren Arbeit für den öffentlichen Dienst notwendig ist, können gemeinsam richtig stark sein! Organisierung in Betrieben und Gewerkschaften, vielfältige gemeinsame Aktionen in Arbeitskämpfen und vor allem der Streik, sind mehr als nur Mittel im „Tarifstreit“.

Sie können ein Teil des notwendigen Widerstands gegen den aktuellen Kurs und die Macht der Herrschenden sein. Sie bringen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit, der Arbeiter:innenklasse, zum Vorschein. Sie machen sichtbar, wie mächtig wir sind und wie hilflos die Gegenseite ohne unsere Arbeit ist. Natürlich gibt es auch innerhalb von Tarifrunden immer wieder Dinge zu kritisieren: Unzureichenden Forderungen, zu früh beendete Streiks oder Hinterzimmer-Taktiererei. Aber: Je mehr wir uns in Gewerkschaften einmischen und Kolleg:innen zur Beteiligung an Aktivitäten motivieren, desto stärker kann auch hier ein offensiver Kurs werden, der unsere Interessen in den Vordergrund stellt!

Kämpferisch, organisiert, selbstbewusst und kritisch – unsere gemeinsame Macht endet nicht mit der Tarifrunde. Eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus ist möglich. Eine Gesellschaft, in der all die Möglichkeiten, die wir zu Beginn erwähnt haben, zur Realität werden. Der Kampf gegen die aktuelle Krisenpolitik und die Verschlechterungen unserer Arbeits- und Lebensbedingungen wird immer notwendiger, um unsere Interessen zu verteidigen. Es geht aber um mehr als nur Verteidigung. Unser gemeinsames Handeln in Betrieb, Gewerkschaft und auf der Straße kann auch ein erster Schritt hin zum Sturz der Herrschenden, zum Bruch mit dem Kapitalismus und dem Aufbau einer Welt der Solidarität sein: Hin zum Sozialismus!


10,5 % Einmalzahlung, Mindestbetrag…?
Warum uns die Art der Forderungen nicht egal sein kann!

Sind 10,5 % mehr Lohn eine hohe Forderung? Gar unrealistisch hoch wie die Arbeitgeberseite sagt? Natürlich nicht, 10 % ist in etwa die Höhe der Inflation im letzten November. In vielen Bereichen, die für die meisten Menschen einen besonders großen Anteil ihrer Ausgaben ausmachen sind die Preise noch viel mehr gestiegen – Lebensmittel +20,7 % und Energie +24,4 %. 10,5 % wären also nicht mal ein richtiges Lohnplus, sondern würden einfach die durchschnittlichen Teuerungen ausgleichen. Wer kann da was dagegen haben? Schließlich sind wir nicht schuld an den Preissteigerungen!

In bürgerlichen Zeitungen wird das oft anders gesehen: Die Lohn-Preisspirale sei zwar nicht Schuld an den Teuerungen, würde sie aber verschärfen. Gemeint ist, dass steigende Löhne höhere Preise nach sich ziehen würden. Das ist völliger Unsinn: Die Real-Löhne stagnieren seit vielen Jahren, in manchen Branchen sinken sie auch deutlich – zum Beispiel als Folge von Privatisierung, Outsourcing und Zeitarbeit. Die Mieten steigen völlig unabhängig davon immer weiter an und auch Energie und Lebensmittel sind in den letzten Jahren immer teurer geworden. Der Ukraine-Krieg ist auch mehr Auslöser für den letzten Preissprung gewesen, als seine Ursache. Schon vor dem Krieg hatte die Inflation kräftig angezogen: Der Grund ist die allgemeine Krise der kapitalistischen Wirtschaft. Weil es für die Kapitalisten immer schwerer wird Profit zu machen, investieren sie vermehrt in die Bereiche in denen sie Preise willkürlich erhöhen können – Wohnen, Lebensmittel und Energie. Auch die Preissteigerungen in anderen Bereichen, bei Elektronik, Holz oder Stahl haben rein gar nichts mit unseren Löhnen zu tun!

Eine Prozentforderung, die die Inflation ausgleicht ist daher das Mindeste. Dazu müsste aber konsequenterweise auch die kommende Inflation mit eingerechnet werden. Die Kolleg:innen in den Häfen haben deshalb im Sommer gefordert, dass ihre Entgelttabelle laufend an die Inflation angepasst wird, um sicher zu stellen, dass die erkämpften Lohnsteigerungen nicht gleich wieder weg sind.
Aber Prozentforderungen haben leider immer einen gravierenden Nachteil: Am meisten profitieren die, die sowie so schon mehr verdienen. Dabei sind die oberen Lohngruppen oft schlechter organisiert und beteiligen sich seltener an Warnstreiks. Die Kolleg:innen der unteren Lohngruppen hingegen, die das Rückgrat der Gewerkschaft bilden, sich fast immer am aktivsten bei Streiks beteiligen und mehr Geld am dringendsten brauchen, bekommen absolut gesehen am wenigsten raus!Zu Recht fordert Ver.di daher einen Mindestbetrag von 500 Euro. Das bedeutet, dass die Löhne um 10,5 %, bei allen aber um mindestens 500 Euro steigen sollen. Das stellt zwar sicher, dass auch die unteren Lohngruppen profitieren. Dennoch bekommen letztlich auch hier die, die sowieso schon mehr haben, absolut gesehen am meisten – die besser organisierten unteren Lohngruppen erkämpfen es…

Bundeskanzler Scholz hat angekündigt, dass in den kommenden Tarifrunden Einmalzahlungen von bis zu 3000 € steuerfrei bleiben sollen. Das hört sich erstmal gut an, ist aber im Detail eine Mogelpackung: Erstmal müssen auch die Einmalzahlungen erkämpft werden und ob die Gegenseite 3000 € zahlen ist noch lange nicht gesagt. Vor allem aber: Sie werden eben nur einmal gezahlt! Sie mit prozentualen Lohnerhöhungen zu verrechnen ist falsch, denn die sind ja dauerhaft und werden so gut wie nie zurückgenommen. Schon in der Metall- und Elektroindustrie wurden vermeintlich hohe Einmalzahlungen genutzt um zu verschleiern, dass der Abschluss eigentlich einen Reallohnverlust bedeutete.

Welche Forderung unsere Gewerkschaft stellt bestimmen letztlich wir alle. Dabei ist es nicht so entscheidend ob sie unrealistisch klingt oder die Gegenseite sie von vorneherein ablehnt, sondern ob wir es schaffen die Kolleg:innen für die Forderung zu motivieren und mit auf die Straße zu bringen. Wenn wir das schaffen, ist keine Forderungen zu groß! Denn wir sind Teil der Klasse die die Gesellschaft am Laufen hält, wir sind unverzichtbar – was sich von der Gegenseite nicht behaupten lässt!


Ohne Frauenkampf geht nichts

Der öffentliche Dienst umfasst eine ganze Reihe an Tätigkeiten, die hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden. Hauswirtschaft, Pflege von Kranken, Kinderbetreuung, Jugendarbeit und die Versorgung von Menschen mit Behinderungen sind Arbeiten, die kaum wertgeschätzt und in der Summe schlecht entlohnt sind. In diesen Bereichen sind zwischen 80 und 95 Prozent der Beschäftigten weiblich. Das ist nicht zufällig so: Die Aufteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern ist historisch gewachsen. Den größten Teil der gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsarbeit – wie Kinder erziehen, alte und kranke Menschen pflegen – erledigen bis heute überwiegend Frauen wenig sichtbar zu hause und unbezahlt.

Davon profitiert die kapitalistische Wirtschaft, weil ihr durch all diese Arbeiten Arbeitskräfte immer wieder aufs Neue und sehr günstig zur Verfügung gestellt werden. Es sind aber auch Männer verschiedener Klassen, die sich die weibliche Haus- und Sorgearbeit – bewusst oder unbewusst – zu Nutzen machen, weil sie dafür im Durchschnitt viel weniger Zeit aufwenden müssen. Mütter arbeiten im Haushalt im Durchschnitt doppelt so viel wie Väter. Gestärkt werden diese Verhältnisse durch das Festhalten an der Institution der „bürgerlichen Kleinfamilie“. Die Haus- und Sorgearbeit wird hier zur „Nicht-Arbeit“ entwertet und Frauen eine Freiwilligkeit aufgezwungen.

Frauen verdienen im Jahr 2023 in Deutschland immer noch 18 Prozent weniger als Männer. Das ist Folge der schlechtbezahlten „Frauenberufe“ und davon, dass Frauen häufiger in Elternzeit und Teilzeitarbeit landen, da sie Verantwortung im Privaten übernehmen müssen. Dies wird in Zukunft aufgrund der fehlenden Kita-Plätze oder unregelmäßige Öffnungszeiten noch häufiger der Fall sein. Es ist daher auch kein Zufall, dass viele Frauen in ökonomischer Abhängigkeit von ihren (Ex-)Partnern und in der Rente in Armut leben.

Genauso wie der bürgerliche Staat die Eigentums- und Produktionsverhältnisse des Kapitalismus festigt, hält er auch patriarchalen Strukturen aufrecht, mit denen Frauen tagtäglich zu kämpfen haben. Sexismus und patriarchale Gewalt sind auch hierzulande an der Tagesordnung. Wenn jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem männlichen (Ex-)Partner ermordet wird und jede dritte Frau schon einmal Opfer einer Vergewaltigung oder sexualisierter Gewalt war, dann sind das keine Einzelfällfe. Wenn Polizei und Justiz viele dieser Taten nicht für verfolgungswürdig halten, wenn sie zu Familien- und Beziehungsdramen herunterspielt werden oder die Schuld bei den Frauen selbst gesucht wird, dann ist das ein Problem der gesamten Gesellschaft. Das gehört genauso zu diesem System, wie Rollenbilder, die Frauen beibringen stets zu funktionieren, nicht anzuecken, und sich lieber nicht zu wehren.

Frauenstreik!

In den vergangenen Jahren gründeten sich weltweit Frauenstreik-Bündnisse, um gegen die Ausbeutung der Arbeitskraft von Frauen als scheinbar frei verfügbare Naturressource und für die Aufwertung von reproduktiven Tätigkeiten zu kämpfen. Und nicht nur das: Auch der Kampf für körperliche Selbstbestimmung und ein Ende der Gewalt an Frauen stehen auf der Agenda! Ziel ist es, dass Frauen in großer Zahl Lohnarbeit, genauso wie unbezahlte Arbeit bestreiken und gleichzeitig mit Demonstrationen, Blockaden und anderen Aktionen im öffentlichen Raum, eine starke gesellschaftliche Wirkung entfalten – und das natürlich mit möglichst großer Unterstützung von solidarischen Männern.

Am 8. März 2018, dem internationalen Frauenkampftag, erlebte diese Bewegung in Spanien zuletzt einen starken Höhepunkt: 6 Millionen Menschen beteiligten sich an einem landesweiten Frauenstreik. Und auch hier bewegt sich langsam etwas: Im Rahmen des 8. März vergangenen Jahres haben feministische Initiativen, Gewerkschafterinnen und klassenkämpferische Linke die Tarifauseinandersetzung im Sozial- und Erziehungsdienst thematisiert, unterstützt und gemeinsam mit Beschäftigten gestaltet. An der Zusammenarbeit von Feministinnen, Kolleginnen und der Gewerkschaft ver.di wollen wir weiter anknüpfen. Die Verbindung der Tarifauseinandersetzung des öffentlichen Dienstes mit gemeinsamen Aktivitäten rund um den 8. März sind dafür ein guter Ansatz!

Es geht nicht nur um schnelle Erfolge, sondern vor allem um einen gemeinsamen Prozess: Praktische Erfahrungen sammeln, Diskussionen führen, gemeinsame Stärke entwickeln. Das Potenzial des Frauenstreiks liegt nicht in einem einmaligen Event, sondern darin, eine feministische Bewegung von unten, aus der Arbeiter:innenklasse, zu entwickeln. Eine Bewegung in Richtung politischer (General-)Streik, mit dem wir gesellschaftlich eingreifen und Druck erzeugen: Gegen Frauenausbeutung und Sexismus, gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, Sozialabbau und den Kapitalismus im Gesamten. Wir verstehen das als einen von vielen Schritten auf dem Weg dahin, den Kapitalismus zu überwinden und eine Gesellschaft aufzubauen, in der Frauenausbeutung und Unterdrückung nicht mehr an der Tagesordnung stehen.


Den Zug nicht vor die Wand fahren! Wieso Klima- und ÖPNV-Streik zusammengehören

Wer aktuell mit dem Bus und der Bahn zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Familie fahren will oder muss, sollte ein bisschen Zeit mitbringen. Immer öfter kommt dieses Frühjahr die U-Bahn zu spät oder überhaupt nicht. In manchen Städten werben die Verkehrsunternehmen sogar schon damit und schreiben „Wir sind deine Ausrede wenn du zu spät kommst!“ auf ihre Hochglanzplakate. Gar nicht so lustig wenn man die Bahn zum Leben braucht. Der Frust entlädt sich dann immer öfter vorne im Wagen oder Bus: Bei den Fahrer:innen. Der Nahverkehr ist in einem wirklich schlechten Zustand. Das ist schon länger so, wird dafür aber schlimmer. Das wissen vor allem jene, die ihn täglich nutzen und vor allem diejenigen die dort arbeiten. Bus und Bahn zu nutzen ist unzuverlässig, unbequem und immer noch teuer. Das kann so keine ökologische Alternative zum Auto darstellen.

Kapitalismus – auf dem Rücken der Fahrer:innen

Deswegen das wichtigste zu erst: Die Beschäftigten sind natürlich nicht schuld an den Mängeln im Nahverkehr, den Ausfällen, fehlenden Anbindungen und Verspätungen. Um eine halbwegs akzeptable Versorgung aller Menschen mit Bus und Bahn sicher zu stellen, braucht es in Deutschland ungefähr 170.000 Bus- und Bahnfahrer:innen. Aktuell sind es aber nur etwa 100.000 und ein viel zu großer Teil ist wegen Überlastung krank. Statt einen Ausbau des Nahverkehrs konsequent zu organisieren wird gerade in den größten deutschen Städten, also den einzigen Orten wo dieser überhaupt auf einer halbwegs akzeptablen Stufe vorhanden sein könnte, der Fahrplan zusammen gestrichen. Die Schichten werden so über belegt und Ruhezeiten zu Hause, bei der Familie oder Freunden nicht eingehalten. Man ist quasi immer draußen unterwegs und die Toiletten-Situation und die Ruheraumlage ist schlecht. Außerdem wurden die Kolleg:innen in der Coronazeit zur Zielscheibe des gesellschaftlichen Frust, was zu einem Anstieg an Beleidigungen und körperlichen Angriffen auf sie geführt hat. Hier haben wir also einen Job der für die Gesellschaft extrem wichtig ist und gerade in einer Verkehrswende ein Zukunftsjob sein müsste. Immer mehr Kolleg:innen sehen in diesem Job aber keine Zukunft mehr.

Staat und Wirtschaft sind nur auf Profite aus

Auch das 9 Euro Ticket, aus dem jetzt ein 49 Euro Ticket werden soll, ist nur eine Scheinlösung. Günstige Tickets für alle sind zwar super und ein Schritt in die richtige Richtung. Sie müssen aber mit zwei, viel wichtigeren Maßnahmen zusammen umgesetzt werden. Erstens muss der Nahverkehr auch dementsprechend ausgebaut werden. Es ergibt keinen Sinn, wenn einfach mehr Menschen Bahn fahren. Es braucht mehr Busse und Bahnen damit mehr Menschen Bahn fahren können. Außerdem müssen die Löhne und Gehälter der Angestellten im lokalen Nahverkehr vollständig von den Einnahmen durch Ticketverkäufe entkoppelt werden. Es ergibt keinen Sinn, jetzt den Geldhahn für den Nahverkehr endgültig zu zudrehen. Es wird aber auch von Seiten der Regierung keine Verkehrswende geben, solange diese in erster Linie Befehlsempfänger der deutschen Autolobby sind. Das Geld wird lieber in Subventionen für Dienstwägen und achtspurige Autobahnen ausgegeben, statt den Busfahrer:innen ein gutes Gehalt zu zahlen. Die Profite der Autokonzerne werden hier mal wieder vor die Interessen der Beschäftigten und ein Abwenden der Klimakatastrophe gestellt. Die Bundesregierung möchte hier nicht auf die Bahn setzen sondern auf das Elektroauto und dafür das Autobahnnetz weiter ausbauen. Das wird ohne Rücksicht auf unsere Wälder oder die folgende CO2-Bilanz zu Gunsten der Autokonzerne weiter durchgesetzt. Elektroautos sind scheiße. Sie sind nicht wesentliche Besser für die Umwelt als Dieselautos und leisten, kann sie sich bei den sinkenden Löhnen eh niemand. Wir brauchen keinen teuren Individualverkehr auf zugestopften Straßen, sondern pünktliche, ausgebaute und kostenlose Busse und Bahnen – auch auf dem Land. Die Politik entwickelt hier aber, gerade in der Klimaaktstrophe, keine Lösungen. Sie verhindert aktiv, das wir vom Individualverkehr als dominierende Art und Weise der Fortbewegung wegkommen. Das Land ist aber fest in der Hand der Autokonzerne, wie Mercedes, VW und BMW. Wir können von Bundesregierung und Wirtschaft also keine Lösung erwarten.

Mobilität statt Kapitalismus

Die jetzigen Streiks im Öffentlichen Dienst werden natürlich keine Verkehrswende herbeiführen, aber ihr Ergebnis könnte die Belastung der Kolleg:innen, auch im ÖPNV, verringern. Deshalb sind sie notwendig. Für eine politische Lösung der Umwelt- und Mobilitätsfrage braucht es aber noch mehr. Das Zusammengehen von Streik- und Umweltbewegung wäre hier der erste Schritt. Die Klimabewegung braucht die Perspektive der Beschäftigten und effektiver Streik braucht politische Perspektiven, denn ÖPNV Ausbau, Mobilität und eine Lösung der Klimakrise funktionieren nur wenn wir die Macht derjenigen brechen, die die Veränderungen systematisch blockiere – die Macht der Kapitalisten.

Von einer solchen Bewegung sind wir in Deutschland noch weit entfernt, was aber nur bedeuten kann sie aktiv anzugehen. Ihr Vorteil wäre klar: Sie würde sowohl jetzt Verbesserungen erkämpfen als auch eine Perspektive für eine wirkliche Verkehrswende schaffen. Und beides braucht unsere Klasse – ob Fahrer:in, Pflegekraft, Erzieher:in, Industriearbeiter:in, Studierende oder Schüler:in – dringend.


Klassenkämpfe in Frankreich und Großbritannien

Viele Probleme, wie Personalmangel in Kliniken und Kitas und geringer Lohn im öffentlichen Dienst wirken erst einmal auf einer lokalen Ebene. Es geht um einzelne Unternehmen, meinen Arbeitsplatz, das Krankenhaus, die Einrichtung in der ich arbeite. Doch natürlich wissen wir dass wir mit unseren Kolleg:innen im gesamten Öffentlichen Dienst verbunden sind und gemeinsam kämpfen. Und was trennt uns von anderen Branchen? Formelle Bezeichnungen, andere Organisierungsformen und andere Tarifverträge – aber nicht das Interesse nach einem guten Leben!

Weiter: Was trennt uns von Kolleg:innen aus anderen Ländern? Ja sie sprechen eine andere Sprache, aber ihr Gegner ist derselbe: Profitzwang, Neoliberalismus und ein Staat der Konzerne und Banken. Deshalb haben wir hier einige Kämpfe unserer Klasse in anderen Ländern beleuchtet.

Streiks in Frankreich – Französische Arbeiter:innen setzen der herrschenden Ordnung zu

In Frankreich gehen Millionen Menschen gegen die Rentenreform der neoliberalen Macron-Regierung auf der Straße. Die Demonstrationen und Streiks vereinen große Teile der Arbeiter:innenklasse im Widerstand gegen das Vorhaben, das im Kern eine Erhöhung des Renteneinstiegsalter von 62 auf 64 bedeutet. Über Betriebe und Branchen hinaus schließen sich Beschäftigte zusammen, um gesellschaftlich einzugreifen: Gegen eine Sparpolitik auf dem Rücken der Arbeiter:innenklasse und dagegen, bis ins hohe Alter vom Kapital ausgepresst zu werden. Der französische Staat profitiert davon als Wirtschaftsstandort mit besseren Ausbeutungsbedingungen und durch niedrigere Sozialausgaben.

An der Kombination aus Großdemonstrationen und kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen sind hunderttausende Beschäftige aus den unterschiedlichsten Branchen beteiligt: Raffinerien standen bereits still, der Energiesektor wird bestreikt aber auch in Schulen, Kitas und Krankenhäusern wehren sich die Beschäftigten. Bahn-, Bus- und LKW-Fahrer:innen sind dabei, ebenso wie Universitätslehrer:innen, Mediziner:innen, Verwaltungsangestellte und Feuerwehrkräfte. Sie alle streiken gemeinsam und das obwohl die Ausstände für die meisten Lohnausfall bedeutet, weil Streikkassen in Frankreich eine Seltenheit sind. Mobilisiert und koordiniert werden sie von Gewerkschaften, unterstützt von einem Großteil der Bevölkerung: 9 von 10 Arbeiter:innen lehnen die Reform ab. Diese gemeinsame Aktion der Arbeiter:innenklasse, die Solidarität und die Bereitschaft auf der Straße zu kämpfen, konnte schon 2021 den ersten Versuch einer Rentenreform von Macron stoppen.

Die Energie denen, die sie verdienen!

Elektriker:innen und Arbeiter:innen der linken Gewerkschaft CGT, die in der Gasversorgung beschäftigt sind, haben in den vergangenen Wochen einen ganz besonderen Beitrag zum Widerstand geleistet: Sie haben ihre Kontrolle über die Stromversorgung als Teil des Klassenkampfes genutzt: Ausgewählten Schulen, Altenheimen, Krankenhäusern u.ä. Einrichtungen haben sie an Streiktagen durch Manipulationen einen kostenfreien Stromzugang ermöglicht. Der Gegenseite, Energiekonzernen und dem Staat haben sie gleichzeitig durch Drosselung und Abschaltung der Versorgung z.B. von Radarfallen und Parteibüros direkten Schaden zugefügt.

Was bringt uns der Blick nach Frankreich?

  • Die Rente mit 67 ist keine Naturgegebenheit und noch weitere Erhöhungen müssen wir uns nicht gefallen lassen! Das sollten wir uns gerade in Deutschland vor Augen halten, wo die DAX-Konzerne im vergangenen Jahr mehr Profit gemacht haben, als jemals zuvor, und wo der Staat hunderte Milliarden für Aufrüstung und zur Unterstützung von Konzernen bereitstellt. Auch das aktuelle Vorhaben der Ampel-Regierung, die Aktienrente, bedeutet vor allem, dass unser Geld im Alter an den Erfolg von Aktiengesellschaften und Börsenmakler:innen geknüpft wird. Und was für sie Erfolg heißt, bedeutet für Arbeiter:innen immer verstärkte Ausbeutung und Konkurrenz.
  • Der politische Streik ist eine starke Antwort auf die Krisenzeiten, die auf uns zukommen. Arbeitskämpfen mit Straßenaktivitäten und kreativen Protestformen können ein mächtiges Mittel gegen arbeiter:innenfeindliche Politik sein.
  • Die Macht liegt letzten Endes auf der Straße. Veränderung wird nicht durch Petitionen, Bitten oder das Vertrauen auf Berufspolitiker:innen erreicht, sondern durch gemeinsame Aktion.
  • Eingeübten Rituale bei Arbeitskämpfen oder symbolischen Protesten, können nicht das Maß der Dinge sein. Die Initiative der französischen Energiearbeiter:innen zeigt, welche Machtmittel Beschäftigten zur Verfügung stehen, wenn sie über den Tellerrand der Sozialpartnerschaft hinausblicken und selbst kreativ werden.

Großbritannien
Sinkende Reallöhne, restriktives Streikrecht – nun begehren Beschäftigte in Großbritannien auf

Wenn wir den Blick auf Großbritannien richten, dann sehen wir das europaweit größte Aufbegehren gegen die Teuerungen. Die britischen Eisenbahner:innen haben die größte Streikwelle seit drei Jahrzehnten ins Rollen gebracht – im Dezember 2022 wurden 1,5 Millionen Streiktage vermerkt und die Streiks reißen nicht ab!

Seit Monaten wird in zahlreichen Branchen im ganzen Land die Arbeit niedergelegt und es toben erbitterte Arbeitskämpfe – für Lohnerhöhungen angesichts der Teuerungen, für sichere Arbeitsplätze, Rentengarantien und für die Wieder-Verstaatlichung des öffentlichen Nahverkehrs und anderer privatisierter Branchen.

Die Gefahr die von diesen Protesten und Streiks ausgehen, setzten die Herrschenden so unter Druck, dass sie Arbeitskämpfe eindämmen und unterdrücken wollen. Anstatt Lösungen für die Auswirkungen der kapitalistischen Krise zu suchen, werden weiterhin fleißig Boni an Aktionär:innen ausgeschüttet, Entlastungszahlungen des Staates sollen nach fünf Jahren zurückgezahlt werden, Soldat:innen werden als Streikbrecher:innen eingesetzt und Gesetze zur Einschränkung des Streikrechts werden von der konservativen Regierung als Reaktion geplant. Diese Gesetze sind ein koordinierter Angriff auf das Streikrecht und sollen eine garantierte Mindestbesetzung der bestreikten Betriebe festlegen. Namentlich sollen Unternehmen oder Einrichtungen Streikbrecher:innen benennen, denen bei Weigerung drastische Geldstrafen oder Kündigungen drohen. So soll die Solidarität unter den Beschäftigen auf die Probe gestellt und Arbeiter:innen gesetzlich zur Arbeit gezwungen werden.

Aber die Beschäftigten lassen sich davon nicht befrieden, sind wütend auf die Regierung, die Explosion der Lebenshaltungskosten und organisieren Proteste gegen die geplanten Einschränkungen des Streikrechts!

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass der Staat auch hier große Streikwellen fürchtet. Wir haben zwar schon ein eingeschränktes Streikrecht und politische Streiks oder Generalstreiks sind verboten. Aber auch unser jetziges Streikrecht ist bedroht. Als die Hafenarbeiter:innen in Hamburg zu Streiks aufriefen und die Tore besetzten, um für einen Inflationsausgleich zu kämpfen, wurden Rufe nach Verboten von Streiks in „systemrelevanten“ Branchen laut. Der Arbeitgeberpräsident Reiner Dulger schlug vor, bei „nationalem Notstand“ Streiks zu unterbinden. Angriffe auf das Streikrecht gibt es aber auch in klein: Fehlinfos über Legalität, Zwang zum Abmelden oder Drohungen. Auch in der laufenden Runde wird die Gegenseite versuchen die Streikfront einzureißen. Das lassen wir uns natürlich nicht bieten!


Wer sind wir?

Wir sind Kommunist:innen, die aktiv in Gewerkschaften und politischen Bewegungen arbeiten. Unsere Perspektive ist es in ihnen zu lernen und sie schlagkräftiger zu machen. Hierbei sehen wir den Kapitalismus als zentralen Gegner, auf dem so viele Missstände und Probleme beruhen: Von Krisen, Krieg, Inflation über Umweltzerstörung und Klimakrise, bis hin zu Arbeitsstress, Überlastung und geringem Lohn.

Daher sehen wir es als unsere Aufgabe, auch die Tarifrunde und unsere Kolleg:innen in den Streiks zu unterstützen.