Aufruf von der Organisation Solidarität und Klassenkampf: Im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung ist festgehalten, dass in Baden-Württemberg eine sogenannte „Pflegekammer“ eingeführt werden soll. Die Landesregierung, vor allem das Sozialminsterium unter Manfred Lucha behauptet diese neue Institution würde die Interessen der Pflegenden vertreten und wäre eine Form der Selbstorganisierung und Mitbestimmung. Die Realität sieht aber völlig anders aus.

Wie kam es zur Ausrufung der baden-württembergischen Pflegekammer?

In einigen Bundesländern gibt oder gab es bereits Pflegekammern. Diese wurden zum Teil auf Druck der eigenen Mitglieder aufgelöst. In Baden-Württemberg gab es 2018 eine Umfrage unter etwa 2500 Beschäftigten. Von diesen haben 68% für eine Pflegekammer gestimmt. Die Landesregierung begründet ihr Vorhaben also mit einer Umfrage unter nicht mal 2% der Betroffenen. Ein echter öffentlicher Diskurs dazu fand nicht statt. Dafür gab es aber Hinterzimmergespräche zwischen Krankenhausleitungen und der Politik. Die Arbeitgeber im Gesundheitsbereich befürworten die Gründung einer Pflegekammer.

Wie wird die Pflegekammer definiert?

Laut Gesetzestext handelt es sich bei der Pflegekammer um eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ wie die Industrie – und Handelskammer oder die Berufsgenossenschaften. Das heißt, dass die Kolleg:innen in den Pflegeberufen Zwangsmitglieder einer teilstaatlichen Organisation werden. Diese hat nicht die Interessensvertretung zum Ziel, sondern die Aufsicht über Pflegeberufe. Alle Mitglieder sind berechtigt, Vertreter:innen in die Pflegekammer zu wählen. Allerdings ist das baden-württembergische Sozialministerium der Pflegekammer gegenüber weisungsbefugt und beaufsichtig diese.

Was steckt dahinter?

Alle Beschäftigten in Pflegberufen werden also von der Politik gezwungen jährlich mindestens 120€ aber eventuell auch bis zu 800€, an die Pflegekammer abzudrücken. Von den verantwortlichen Politikern wird ganz bewusst verschleiert, wie teuer die Zwangsmitgliedschaft ist und wie viele Nachteile die Kolleg:innen davon haben. Mit dem Geld der Arbeiter:innen müssen sie ihre eigenen Weiterbildungen bezahlen, was eigentlich Aufgabe der Arbeitgeber ist. Noch dreister ist, dass die Kammer ihre Mitglieder dazu zwingt, ihre Kolleg:innen zu verpfeifen, wenn sie Fehler machen. Als wäre das Versagen Einzelner und nicht die Überbelastung und Zeitdruck die Ursache für Fehler. Noch schlimmer: Wer einen Fehler macht, kommt vor ein Gericht der Pflegekammer und kann letztendlich seinen/ihren Job verlieren. An den miserablen Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und Pflegediensten kann und wird eine Pflegekammer nichts ändern – das ist nämlich nicht ihre Aufgabe. Es geht um die Selbstdisziplinierung der Arbeiter:innen.

Angriff auf unsere Gewerkschaften

Die Pflegekammer wird als „Organisierung“ von Beschäftigten beworben. Das ist aber nicht die Aufgabe des Sozialministeriums, sondern der Gewerkschaften. Die Pflegekammer verhandelt nicht mit den Arbeitgebern, verhandelt nicht über bessere Arbeitsbedingungen oder Löhne. Über unsere Köpfe hinweg soll eine Schein-Interessenvertretung installiert werden, in der am Ende aber die Landesregierung und nicht die Mitglieder das letzte Wort haben. Dieser Angriff auf die Gewerkschaftsbewegung betrifft zwar nur einen Teil unserer Klasse, geht aber alle Gewerkschaftsmitglieder und Arbeiter:innen an.

Nicht ohne unseren Widerstand!

Wir werden nicht akzeptieren, dass unsere Kolleg:innen Zwangsmitglied einer sinnfreien Geldverbrennungsmaschinerie werden. Den Politikern ist nicht entgangen, dass spätestens seit Corona die Bewegung der Pflegekräfte an Dynamik gewinnt. Sie wollen uns glauben lassen, die Pflegekammer würde unsere Probleme für uns klären, letztendlich kostet sie aber nur viel Geld und schafft Misstrauen zwischen uns. Deswegen sagen wir der Pflegekammer den Kampf an – aufklären, organisieren und kämpfen! Die beste Antwort auf das Scheinangebot der Politik ist es, aktiv in der Gewerkschaft, Betriebsgruppen oder bei klassenkämpferischen Initiativen. Wir brauchen eine kämpfende Arbeiter:innenbewegung in den Krankenhäusern, Pflegediensten und überall!

KLASSENKAMPF STATT PFLEGEKAMMER!
KEINE PROFITE MIT UNSERER GESUNDHEIT!