Bericht von de.indymedia: Wie jedes Jahr gab es in Stuttgart zum Jahresabschluss 2019 eine Silvesterdemonstration am Knast in Stammheim. Doch dieses Jahr hinderten die Bullen von Beginn an uns als AktivstInnen an unserem entschlossenen, kreativen und selbstbestimmten Protest. Empfangen wurden die über 300 TeilnehmerInnen mit einem Großaufgebot der Polizei, einem Wasserwerfer, einem Rollpanzer, 30 Wannen, einer Drohne und unzähligen Beamten.

Wie jedes Jahr gab es in Stuttgart zum Jahresabschluss 2019 eine Silvesterdemonstration am Knast in Stammheim. Doch dieses Jahr hinderten die Bullen von Beginn an uns als AktivstInnen an unserem entschlossenen, kreativen und selbstbestimmten Protest. Empfangen wurden die über 300 TeilnehmerInnen mit einem Großaufgebot der Polizei, einem Wasserwerfer, einem Rollpanzer, 30 Wannen, einer Drohne und unzähligen Beamten. Mit dem martialischen Aufgebot machten die Bullen einmal mehr deutlich, dass entschlossener Protest gegen die bestehenden Verhältnisse richtig und notwendig ist. Das Jahr 2019 war gekennzeichnet von neuen Polizeigesetzen in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern, welches den Bullen immer mehr Handlungsspielräume liefert und unsere Proteste immer weiter mit Repression überziehen will. Das Jahr 2019 war geprägt vom Angriffskrieg auf Rojava sowie der Kriminalisierung solidarischer AktivistInnen hier in Deutschland. Und auch im Jahr 2019 setzte sich die Repression gegen G20-AktivistInnen weiter fort. So bekamen erste AktivistInnen im Zusammenhang mit dem Rondenbargkomplex ihre Anklageschriften.

Trotz permanenter Schikanen der Polizei schafften wir es, direkt vor den Knast zu laufen, um dort mit Feuerwerk und Parolen die Gefangenen zu grüßen. Mit einer Pyroshow in grün-rot-gelb wurde außerdem ein direkter Zusammenhang mit den Kämpfen in Rojava hergestellt. Dabei soll zum einen die Solidarität mit den KämpferInnen der YPG und YPJ ausgedrückt werden. Mit langem Atem und viel Energie, zeigten wir und alle anderen InternationalistInnen Solidarität mit diesem derzeit einzigartigen Projekt, welches durch die Türkei und unter der Mitwirkung Deutschlands militärisch angegriffen wurde. Die Angriffe auf Rojava gehen dabei über militärische Interventionen hinaus und treffen immer häufiger auch AktivistInnen hier vor Ort. Mit Fahnen- und Organisationsverboten wird versucht Solidaritätsarbeit jeglicher Art einzuschüchtern und zu zermürben. In Stammheim selbst sitzen zwei Genossen wegen des §129. Zum anderen soll somit auch die Unterstützung von linken AktivsitInnen, die aufgrund ihrer Solidaritätsarbeit mit Rojava kriminalisiert werden, ausgedrückt werden.

Nach diesem ausdrucksstarken Moment ließ die nächste Drangselei der Polizei nicht lange auf sich warten, denn lediglich das zünden einiger Silvesterraketen, veranlasste sie dazu, den gesamten Demonstrationszug zu stoppen. Innerhalb weniger Minuten standen etliche Polizeibeamte rund um die Demo herum, die dann als ‚rechtlich aufgelöst‘ erklärten, um alle 300 AktivistInnen – in schon seit Mittag aufgebauten Zelten – abzutasten, zu durchsuchen, abzufilmen und des Platzes zu verweisen. Zusätzlich wurden die Personalien aufgenommen Das Ganze brauchte insgesamt über zwei Stunden, in denen die AktivistInnen tapfer durchhielten und mit Parolen, sowie kämpferischen Liedern zu guter Stimmung beitrugen.

Das diesjährige strikte, aber wohl-kalkulierte Durchgreifen der Bullen war der Versuch unsere Proteste nach ihren Vorstellungen einzuschränken und uns einzuschüchtern. Nach mehreren Jahren wollten sie damit die linke Tradition unangemeldeter, entschlossener und kreativer Knastdemonstrationen unterbinden. Als AktivistInnen können wir davon ausgehen, dass dieses Vorgehen keine Ausnahme bleibt, sondern vielmehr eine neue Taktik, mit der sie uns in die Schranken zu weisen versuchen.

Verschärfte Polizeigesetze, härtere Strafen gegen linke AktivistInnen, Überaufgebote von Bullen- und Militärgeräten bei Protesten oder die Omnipräsenz von Bullen im gesellschaftlichen Alltag sind Teile eines zunehmenden Klassenkampfs von oben. Weltweit kriselt das kapitalistische Wirtschaftssystem und diejenigen, die davon profitieren, ergreifen Maßnahmen um ihr System aufrecht zu erhalten – notfalls auch mit militärischer Gewalt.

Wir werden uns davon nicht einschüchtern lassen, sondern vielmehr gilt es, gegen die bestehenden Verhältnisse aktiv zu werden. Und dazu gehört auch, unsere grenzenlose Solidarität mit denjenigen zu zeigen, die aufgrund ihrer Überzeugung oder ihrer prekären Lebensumstände einen Teil oder gar ihr ganzes Leben eingepfercht hinter Gittern verbringen müssen. Und eben jene Solidarität äußern wir in all unseren Kämpfen!

Wir sind nicht alle – es fehlen die Gefangenen!

Quelle

Fotos vom Knastspaziergang 2019:

 


Der Aufruf zur Silvestermobilisierung 2019

Polizeigesetze, Verfolgung türkischer und kurdischer Revolutionäre, Verbotspraxis oder G20..

Die politischen Entwicklungen und Verschärfungen der jüngeren Vergangenheit und die damit einhergehende Repression beschäftigen weite Teile der linken Bewegung. Für Nichtigkeiten und beinahe regelmäßig werden AktivistInnen mit Repression überzogen und schon der leiseste Hauch von Aktivismus kann zum Konflikt mit diesem Staat führen. Für viele linke AktivistInnen wird dadurch eine Auseinandersetzung mit Repression bis hin zum Knast aktuell.

Seien es der sogenannte „Bullenschubsparagraph“ §114 oder die bundesweit erfolgten oder geplanten Verschärfungen der Polizeigesetze: Immer mehr und immer weitreichendere, unerschöpfliche Mittel der Repression werden so geschaffen. Denn, wer einem Bullen auch nur zu nahe kommt, wird dank des Paragrafen mit Knast bedroht. In den Polizeigesetzen werden noch allgemeinere, präventive Maßnahmen festgesetzt, sie stellen einen Angriff auf größere Teile der Gesellschaft als nur auf Linke dar und sind Teil des Rechtsrucks, den wir seit Jahren erleben. Online-Durchsuchungen, Unendlichkeitshaft, DNA-Untersuchungen oder flächendeckende intelligente Videoüberwachung treffen alle.

Seien es „Terrorverfahren“ nach §§129, mit denen seit Jahrzehnten türkische und kurdische Revolutionäre verfolgt und eingeknastet werden. An ihnen übt die deutsche Justiz die systematische Abhörung, Überwachung und Verfolgung von ganzen Strukturen. Dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis solche Maßnahmen auch breitere Teile einer antagonistischen Linken treffen, zeigt sich momentan öfter: §§129-Verfahren in Leipzig, Verbotsandrohungen gegen die Rote Hilfe, der Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN und weitere zivilgesellschaftlicher Vereine und das tatsächliche Verbot von Linksunten verdeutlichen das mehr als genug. Zwar sind all diese Angriffe nicht mit §§129-Verfahren vergleichbar und viel niederschwelliger – sie zeigen jedoch, dass der Staat überall versucht, linke Räume und Infrastruktur so weit wie möglich zu begrenzen, zu behindern und zu verbieten.

Seien es die ganzen Verfahren rund um den G20-Gipfel 2017 in Hamburg: während das Verfahren rund um die Vorkommnisse an der Elbchaussee noch läuft, startet der Staat schon den nächsten Angriff. Im Herbst wurden die ersten Anklageschriften verschickt. Verhandelt werden soll nun die Teilnahme an einer Demo, die am „Rondenbarg“ brutal von der Polizei angegriffen und zerschlagen wurde. Hierbei geht es um weit mehr, als „nur“ die Verurteilung ein paar Einzelner. Es ist ein weitreichender Angriff auf das Versammlungsrecht und, falls erfolgreich, ein weitreichender Einschnitt in Aktionsspielräume auf der Straße! Alle sollen für Alles, was auf einer Demo passiert vor Gericht gezerrt werden. Das Ziel davon ist klar: Abschreckung, Einschüchterung und die Unterdrückung unliebsamen Protests.

Den Kampf weiterführen…

Dieser Staat und seine Justiz sind Teil des Klassenkampfes – des Kampfes der Herrschenden dieser Welt gegen diejenigen, an deren Arbeit sie sich bereichern: den Großteil der Gesellschaft, die nichts haben außer ihre Arbeitskraft. Als Teil dieser Auseinandersetzung ist es Aufgabe des Staates, Klassenwidersprüche und -konflikte zu befrieden – durch ein Mindestmaß soziale Absicherung und bürgerlichen Freiheiten, durch die Integration widerständiger Proteste in staatliche, legale Rahmen oder – falls die vorherigen Schritte erfolglos sind – durch Angriff und die vollständige Zerschlagung des Widerstandes. Das alles, natürlich, immer im Interesse der Herrschenden, die im Staat ihren konkreten Ausdruck finden. Zwar gibt es momentan eigentlich keine ernsthafte Gefahr für den Staat oder das kapitalistische System, doch die Angst vor der sich vertiefenden Krise und die Gefahr, dass die Menschen die Folgen der Krise nicht einfach schlucken, lässt die Herrschenden schon jetzt zur präventiven Aufstandsbekämpfung rüsten.

…für die befreite Gesellschaft

Kein Wunder, dass drei Stuttgarter Antifas erstinstanzlich für ein paar blaue Flecken zu Knast verurteilt werden und parallel Waffenschieber des NSU auf Bewährung wieder frei sind.

Also was tun?

Diese Angriffe zielen auf Strukturen und Organisierungsansätze revolutionärer Politik. Führen wir diesen Kampf für die befreite Gesellschaft ernsthaft, sind solche Angriffe nichts skandalöses, sondern einzig die logische Reaktion unseres Gegners im Klassenkampf.

Ziel muss es daher sein, sich nicht immer wegzuducken, sondern zu gewährleisten, dass linke Infrastruktur erhalten bleibt und eine revolutionäre Bewegung und Strukturen trotz härterer Repressionsschläge weiter wachsen und sich entwickeln können.

Gleichzeitig muss klar sein, dass auch der Knast oder die Illegalität nicht das Ende der Fahnenstange sind, sondern Teil einer revolutionären Praxis sind. Die Unterstützung durch politische Strukturen ist dafür unabdingbar.

Getroffen hat es eine, gemeint sind wir alle!“ muss für uns mehr als eine Parole sein. Es ist Analyse, Aufruf und Handlungsstrategie. Denn nur gemeinsam können wir die Angriffe des Staates abschwächen und bestenfalls zurückschlagen.

Deshalb heißt es für uns: wir müssen, können und werden weitermachen!

An Silvester alle zum Knast!
17 Uhr, U-Bahn Stammheim


Der linke Aktivist Smily steht mit seiner Geschichte für einen aktiven und politischen Umgang mit Repression. Bevor er 6 Jahre untertauchte um einer weiteren Knaststrafe zu entgehen, verbrachte er 10 Monate in der JVA Stuttgart Stammheim in U-Haft. In der Veranstaltung wollen wir auf diese Zeit eingehen, den Knastalltag konkreter machen und zeigen, wie trotz diesem, der Kampf für eine befreite Gesellschaft weitergeführt werden kann.

Kommt zur Veranstaltung:
Samstag, 28.12., 18 Uhr, Linkes Zentrum Lilo Herrmann


Hier der Flyer als pdf: Flyer_Silvestermobi2019_Stammheim

Quelle