Seit Januar 2018 führt das Nato-Land Türkei Krieg gegen Afrin. Deutsche Leopard II Panzer und Heckler & Koch Gewehre werden benutzt, um das einzige demokratische Projekt im Nahen Osten – Rojava, im kurdischen Norden Syriens – zu zerstören. Eine Region, die bislang einen Schutzraum für Flüchtlinge aus ganz Syrien bot. In der Menschen inmitten eines barbarischen Bürgerkriegs versuchen, sich in basisdemokratischen Räten zu organisieren und ihre Angelegenheiten selbst zu verwalten. In der keine Rolle spielt, welcher Religion oder Ethnie jemand angehört. Wo es immense Anstrengungen gibt, die Unterdrückung von Frauen zu beenden. Und in der nicht zuletzt der Wunsch nach einem solidarischen Leben im Einklang mit der Natur ein erklärtes Ziel aller politischen Gremien ist!
Deutschland finanziert, Türkei bombardiert…
Auch ein Blick auf das angreifende Land lohnt sich und ist mit Sicherheit ein Grund auf die Straße zu gehen:
Seit Erdogan eine Präsidialdiktatur aufgebaut hat, fand in der Türkei ein rasanter antidemokratischer Prozess hin zum Faschismus statt: demokratische Rechte wurden abgebaut, die Presse zensiert, die Opposition ist im Gefängnis, Streiks verboten und rassistisch-religiöse Mobs verbreiten Terror auf der Straße. Seit 2016 führt die Türkei offen Krieg gegen die Bevölkerung in den kurdischen Landesteilen. Damals wurden ganze Städte durch die türkischen Bomber und schwere Artillerie dem Erdboden gleich gemacht.
Verantwortlich für die Morde in Afrin sind neben der Türkei auch die USA, die Erdogan gewähren lassen und Russland, das demonstrativ seine Soldaten aus Afrin abzog und vor allem den Luftraum für türkische Bomber freigab. Und Deutschland liefert den Besatzern nicht nur Waffen, sondern kriminalisiert und verfolgt die kurdische Bewegung und revolutionären Kräfte.
Wer schweigt, reiht sich ein!
Man sollte meinen, dass der Überfall eines Nato-Landes mit Unterstützung Deutschlands auf ein fortschrittliches, demokratisches Projekt in einem anderen Land, einen großen Aufschrei auslöst und die Friedensbewegung massenhaft auf der Straße ist.
Die Realität hier in Deutschland sieht jedoch angesichts der Angriffe anders aus: seit Beginn des Krieges am 19. Januar gab es bis heute keine einzige größere Demonstration der Friedensbewegung, keine Blockade von Rheinmetall oder der Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann. Die kurdische Freiheitsbewegung ist weitgehend alleine auf deutschen Straßen, unterstützt nur von kleineren Teilen der radikalen Linken. Ausnahmen stellen Konstantin Wecker oder einzelne Abgeordnete der Linkspartei dar.
Die Begründung, dass die Friedensbewegung zu Afrin nicht aktiv werden könne, weil die YPG sich bewaffnet wehrt, ist an Heuchelei nicht zu übertreffen: Schließlich war man auch gegen den Irak- und den Afghanistan-Krieg aktiv, obwohl sich dort natürlich auch bewaffnet gewehrt wurde – allerdings von ausgesprochen reaktionären Kräften.
Andere Gründe scheinen doch eine größere Rolle zu spielen: Bei einigen ist die Angst mit in den „PKK-Topf“ geworfen zu werden, also mit Repression überzogen zu werden, wenn man sich mit der kurdischen Befreiungsbewegung solidarisiert, recht groß. Noch wichtiger ist jedoch: Bei Afghanistan oder dem Irak-Krieg konnte man sich bequem gegen den Krieg äußern, ohne in Verdacht zu geraten, sich ernsthaft mit den Taliban oder Saddam Hussein zu solidarisieren. In der Solidarität mit Afrin aber, lässt sich ein abstrakter Pazifismus, kaum mehr aufrechterhalten. Denn, wie sollten die Menschen in Afrin auf den Überfall reagieren? Die Waffen niederlegen im Angesicht der vom türkischen Staat befehligten ehemaligen IS- und Al-Nusra- (Al-Quaida-)Einheiten?! Sitzblockaden und Menschenketten gegen diejenigen, die u.a. 2014 bei dem versuchten Völkermord gegen die JesidInnen bewiesen haben, dass sie kein Problem damit haben Frauen zu versklaven, Kinder und Unbewaffnete dahinzuschlachten?! Das wäre zwar mutig, aber eben auch verantwortungslos und Selbstmord. Gewaltloser Widerstand hat zwar seine Berechtigung, er funktioniert aber angesichts der entfesselten Barbarei und des Faschismus schlicht nicht mehr!
Für internationale Solidarität und eine breite Widerstandsbewegung in Deutschland
Es bleibt dabei: Afrin, bzw. das Projekt Rojava bleibt ein Leuchtturm, der von allen, denen an sozialem Fortschritt, Demokratie, gleichberechtigtem Umgang verschiedener Ethnien und Religionen, Ökologie und Frauenbefreiung gelegen ist, verteidigt werden muss. Wer diese Solidarität verweigert, fällt der Zivilbevölkerung in Afrin in den Rücken und macht Platz für die Hetze gegen fortschrittliche Kräfte, die sich aktuell dem Vernichtungswillen des türkischen Staates ausgesetzt sehen. Auch die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland, als Fortsetzung des Krieges vor unserer eigenen Haustüre, wird mit dieser Politik der „Nichteinmischung“ begünstigt, oder zumindest geduldet. Wer ernsthaft für Frieden einstehen will, kann der Konfrontation mit den Kriegstreibern und ihrer Propaganda nicht aus dem Weg gehen – ob als PazifistInnen oder militante KriegsgegnerInnen.