Anlässlich des 30.Jahrestages des sogenannten „Deutschen Herbstes“ sehen wir uns einmal mehr mit einer Flut von Filmen, Talk-Shows, Feuilleton- Artikeln u.ä. konfrontiert, die die Rote Armee Fraktion (RAF) aus bürgerlicher Sicht darstellen und diffamieren. Eine „Auseinandersetzung“ im eigentlichen Sinne können diese Darstellungen nicht genannt werden, da es nicht um eine kontroverse Beschäftigung mit dem Phänomen RAF geht. Primär werden stattdessen in ihrer Form ritualisierte Positionierungsfloskeln im Sinne der Staatsräson zum besten gegeben. Entpolitisierend geht es nicht um die programmatischen Konzepte der RAF, ihren Entstehungs- und Wirkungsrahmen. Vielmehr werden uns individualisiert die AktivistInnen der RAF wahlweise als Kriminelle, Geisteskranke oder geltungssüchtige Machos präsentiert. Demgegenüber werden diejenigen, gegen die sich der Kampf der RAF richtete vielfach zu aufrechten Demokraten stilisiert, der Angriff auf sie zu einem irrwitzigen Kampf einer Minderheit letztlich gegen die gesamte Bevölkerung.
Im Rahmen eines derartigen „Journalismus“ und Zeitzeugentums wetteifern Exponenten der traditionellen Rechten mit vermeintlich alternativen (Ex-)Linken; darum, wer die vorbehaltlosesten Bekenntnisse zum deutschen Staat und seinen Repräsentanten erbringt und letztlich auch zum Kapitalismus als bester oder zumindest alternativenloser Gesellschaftsformation. Sei es, weil so lediglich die allenorts präsenten Argumentationen einmal mehr unhinterfragt reproduziert werden, sei es aus realem Machtinteresse.

Mehr als Anlass genug, eine unabhängige Auseinandersetzung mit der Geschichte der RAF und des bewaffneten Kampfes in Deutschland zu suchen. Die RAF ist objektiv ein Teil der Geschichte all derjenigen, die hierzulande egal mit welchen Mitteln den Kampf für eine Gesellschaft jenseits der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse führten und führen. Es ist in unserem Interesse und unsere Aufgabe uns diesen Teil anzueignen, entgegen den bürgerlichen Versuchen einer Geschichtsfestschreibung. Dies heißt zuallererst, die RAF als politische Organisierung mit ihren Erkenntnissen und Fehlern zu verstehen und zu analysieren; ihren Kampf als einen Beitrag zu sehen zum Versuch des Aufbaus eines revolutionären Prozesses in Deutschland.
Wir können im Folgenden nicht einen Gegenentwurf in dem Sinne bringen, was die RAF aus unserer Sicht darstellte. Wir möchten an dieser Stelle v.a. einige zentrale Aspekte dessen beleuchten, wie zu allen Zeiten versucht wurde, eine offene Beschäftigung mit ihr zu verhindern. Denn mit dieser Erkenntnis wird es letztlich erst möglich sein, überhaupt einen Ausgangspunkt für eine derartige Diskussion finden zu können. Zu dieser möchten wir alle auffordern und einladen, die die alltäglichen Entstellungen und Lügen hinterfragen wollen, für die die scheinbare Alternativenlosigkeit der bestehenden Verhältnisse keine verinnerlichte Selbstverständlichkeit darstellt.

Vom roten Frühling 1968…

Die Entstehung des bewaffneten Kampfes in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg ist nicht zu verstehen ohne eine Analyse der nationalen politisch- ökonomischen Verhältnisse der Nachkriegszeit und ihres weltweiten Kontextes. Hier gilt es nur einige diesbezügliche Grundzüge zu benennen.
Zunächst ist die Erfahrung des Nazifaschismus selbst anzuführen, gegen den sich in Deutschland – anders als in Italien, Frankreich und vielen anderen Ländern – keine breite bewaffnete Widerstandsbewegung formiert hatte. Auch die KPD, in der Weimarer Republik eine der weltweit größten kommunistischen Massenorganisationen, vermochte es nicht, eine solche Bewegung aufzubauen. Viele ihrer Mitglieder wurden zum Exil gezwungen oder in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet.
So war es weniger eine kämpferische Erfahrung und klare politische Vorstellungen, als vielmehr die konkret erfahrene Lebensrealität im Faschismus, die trotz allem dazu führte, dass sozialistische Gesellschaftsentwürfe in der Nachkriegsgesellschaft zunächst breite Zustimmung fanden. Diesem Bestreben, einen fortschrittlichen Bruch zu vollziehen stand das vom Westbündnis geförderte Projekt entgegen, Deutschland schnellstmöglich zu einem antikommunistischen Frontstaat gegenüber dem Ostblock aufzubauen. Dafür diente einerseits die wirtschaftliche Prosperitätsphase der Nachkriegszeit als Befriedungsfaktor, der mit seinen sozialen Absicherungen und Vollbeschäftigung den machbaren „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ repräsentieren sollte. Andererseits wurde mit voller Härte gegen Bewegungen vorgegangen, die diesen sozialen Frieden zu stören drohten.
Mit massiver Repression reagierte man etwa auf die Massendemonstrationen gegen eine Wiederbewaffnung der BRD. Bereits 1952 kostete diese Repression dem Kommunisten Phillip Müller das Leben, als ihn in der Menge der Demonstranten eine Polizeikugel tödlich traf.
1956 schließlich wurde die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten und zahlreiche ihrer Mitglieder verfolgt und eingeknastet. Während in anderen Ländern (Italien, Frankreich) auf eine beteiligende Integrierung und den „Einkauf“ der Kommunistischen Parteien gesetzt wurde, verdeutlichte der deutsche Staat so seinen Willen zur Zerschlagung jedes organisierten Kampfes um eine andere Gesellschaft. Nicht zu vergessen ist, dass eine solche Politik an vielen entscheidenden Stellen von ehemaligen Tätern des NS- Regimes geplant und umgesetzt wurde, die völlig unbehelligt ihre politisch-administrativen Karrieren fortsetzen konnten.

Die wesentlich studentische Linke, die sich Ende der 1960er Jahre formierte richtete sich gegen diese Kontinuitäten mit dem NS- Regime. Sie wurde entscheidend angetrieben vom internationalen Aufschwung sozialistischer und antikolonialer Strömungen und verstand sich als Teil der internationalen Bewegungen gegen den von Deutschland mitgetragenen US- Krieg gegen Vietnam. Auch gegen die neue Linke richtete sich nicht nur unmittelbar die Hetze der bürgerlichen Presse, sondern auch die direkte Gewalt des Repressionsapparates. Am 2.Juni 1967 wird der Student Benno Ohnesorg bei einer Protestdemonstration gegen den Besuch des reaktionär-diktatorischen Schahs von Persien von einem Polizist erschossen.
Die Ohnmacht gegenüber der offen auftretenden Staatsgewalt, aber auch die Hoffnung einen revolutionären Prozess tatsächlich vorantreiben zu können führen in Deutschland in den Folgejahren zur Gründung mehrerer bewaffneter Gruppen wie der RAF, der „Bewegung 2.Juni“ und wenig später der Revolutionären Zellen/Roten Zora (RZ). Nicht zufällig gründen sich in der gleichen Zeit auch in verschiedenen anderen westeuropäischen Staaten bewaffnet kämpfende Gruppen. Vielenorts war am Ende der 1960er Jahre ein Punkt der Mobilisierung in der Linken erreicht worden, an dem für viele die Zeit reif zu sein schien, zu den Waffen zu greifen.
Die bewaffnet kämpfenden Gruppen waren ein Strang, der sich aus der 1968er Bewegung entwickelte, neben denen, die den „Marsch durch die Institutionen“ antraten oder den sogenannten K- Gruppen. Der Aufbruch schließlich betraf auch nicht nur eine von anderen sozialen Aspekten losgekoppelte explizit politische Organisierung, sondern war eine allgemeine (soziale, kulturelle, politische…) Emanzipationsbewegung. In zahlreichen Städten begannen Hausbesetzungen und die Besetzung von selbstverwalteten Jugendzentren. Es gab StudentInnen-, SchülerInnen- und Lehrlingsbewegungen, die sich gegen ihre Lern- und Lebensbedingungen wehrten. Die Anfänge neuer Frauenbewegungen fanden in Massenmobilisierungen und eigenen erkämpften Freiräumen Ausdruck. Neue kollektive Formen des Arbeitens und Wohnens wurden propagiert und umgesetzt etc.
Dies sind in groben Zügen die politischen Rahmenbedingungen, in denen Organisierungen wie die RAF sich formierten. Alleine diese Hintergründe und Zusammenhänge gilt es schon der bürgerlichen Propaganda von individuell motivierten, marginalisierten und abenteuersuchenden Desperados entgegenzuhalten.

…zum deutschen Herbst

Der deutsche Herbst und insbesondere die Stammheimer Todesnacht am 18.10.1977 war sicherlich (nur) ein Kulminationspunkt in der Auseinandersetzung zwischen RAF und revolutionärer Linker einerseits und dem Staat mit seinen Repressionsorganen andererseits. Unter der Fahne des Kampfes gegen die RAF und andere revolutionäre Organisierungen hatte der Staat in den Jahren zuvor bereits seinen Repressionsapparat massiv ausgebaut. Das BKA war z.B. von 1969 bis 1973 von 933 auf 2062 Beamte, die Bereitschaftspolizei von 18.000 auf 22.300 Beamte, der Bundesgrenzschutz von 20.000 auf 22.159 und der Verfassungsschutz von 1016 auf 1409 Beamte aufgestockt worden, um nur ein quantitatives Beispiel anzuführen. Mehrere AktivistInnen aus den bewaffnet kämpfenden Gruppen waren -teils aus nächster Nähe und unbewaffnet- „auf der Flucht“ oder aus „Notwehr“ erschossen worden.
An ersten Gefangenen wie Ulrike Meinhof werden neue Isolationshaftbedingungen umgesetzt. Am 8.5.1976 wird sie tot in ihrer Gefängniszelle aufgefunden. Der Staat duldete keinen Zweifel an der von ihm ausgegebenen Selbstmordthese, wenngleich eine wissenschaftliche internationale Untersuchungskommission dieser widersprach. Diese Politik wiederholte sich, als Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan- Carl Raspe eben in der Nacht des 18.10.1977 in ihren Zellen sterben. Die RAF sprach in diesem Zusammenhang von einem „Geiselstatus“ der Gefangenen, deren Leben gegen die Praxis der RAF gesetzt werde. Der Staat hingegen verurteilte Anwälte der politischen Gefangenen, weil diese zum Selbstmord verholfen haben sollen und verfolgten jeden, der die staatliche Version öffentlich auch nur anzweifelte. Diese Verfolgung dauert letztlich bis heute an und steht jeder öffentlichen objektiven Analyse der Vorkommnisse entgegen.
Die staatlicherseits betriebene Eskalation im Rahmen des „deutschen Herbstes“ lässt sich jedoch nicht auf die konkrete Auseinandersetzung mit der RAF beschränken, sondern zielte auf breite Spektren der damals – relativ zu heute – starken revolutionären Linken und der kritischen „linksliberalen“ Öffentlichkeit ab. Festgehalten werden muss, dass die RAF in ihren Anfangstagen auf eine teils relativ breite Zustimmung zu ihren Aktionen bauen konnte. Auch als die massive Stimmungsmache gegen sie zu wirken begann wurde ihr Kampf primär als, wenn auch kritisierter, so doch diskutabler Teil einer politischen Auseinandersetzung begriffen. Der Staat versuchte mit der Einschüchterung diese Auseinandersetzung auf allen Ebenen gar nicht erst stattfinden zu lassen – und dies auch mit gewissem Erfolg. Hierzu diente z.B. der Versuch, mittels neu geschaffener Zensurparagrafen und entsprechender Repression den Zugang zu authentischen Publikationen, selbst Prozesserklärungen der RAF- Gefangenen zu verhindern.

Die Bekundung einer „klammheimlichen Freude“ über die Aktionen der RAF, wie sie im sogenannten „Mescalero“- Aufruf an der Uni Göttingen zum Ausdruck gebracht wurde konnte nicht geduldet werden. Sie führte exemplarisch zur Entlassung mehrerer Dozenten und strafrechtlicher Verfolgung. Der 1976 aus der Taufe gehobene Paragraf der „Bildung, Unterstützung und Werbung (für) eine/r terroristische/n Vereinigung“ (§ 129a) richtete sich gegen Angehörigen- und Gefangenensolidaritätsgruppen und gegen sogenannte „SympathisantInnen“; ein gezielt schwammig gehaltener Begriff, unter den sich letztlich alle subsumieren ließen, die sich auch nur auf ähnliche Analysen wie die RAF bezogen. An die Stelle politischer Auseinandersetzungen sollte das vorbehaltlose Bekenntnis zum Staat und seinen Repräsentanten treten. Eine Strategie der Bedrohung, die ergänzt wurde durch Abschwörer- und Verräterbelohnung auf allen Ebenen.
Schon im Rahmen des deutschen Herbstes ist schließlich auch die Entpolitisierungs- und Denunziationspolitik des Staates sichtbar. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden die RAF- AktivistInnen individualisiert dargestellt, entpolitisiert, pathologisiert. Der nur durch massiven öffentlichen Druck vereitelte Versuch, Ulrike Meinhof zu Lebzeiten einer Gehirnoperation zu unterziehen um mögliche organische Ursachen für ihr „abweichendes“ Verhalten zu finden war hier nur eine perfide Spitze des Eisbergs.

Kontinuität des Terrors

Auf ideologischer Ebene hat die entpolitisierende Darstellung politischer GegnerInnen durch den offiziellen Terror- Diskurs in den letzten Jahren sicherlich an Breite und Intensität hinzugewonnen. Mit dem Terrorismus- Begriff ist eine gleichmacherische Universalkeule geschaffen und ausgebaut worden, die die Herrschenden aller Staaten gegen jede ihnen unliebsame politische Bewegung richten können. Ist erst einmal vom Terrorismus die Rede, scheinen politische Perspektiven und Programme, aber auch Menschenrechte keine Rolle mehr zu spielen. Entsprechend den spezifischen Interessen der unterschiedlichen Regime werden Bewegungen kriminalisiert und finden sich mittlerweile auf ausgearbeiteten internationalen schwarzen Listen wieder. Unterschiedslos werden dort reaktionäre islamistische Organisationen neben linken Befreiungsbewegungen und kommunistischen Organisationen angeführt. Was terroristisch ist bestimmt der Staat.
Der Terror-Diskurs ist ein wesentlicher ideologischer Aspekt der Konterrevolution, jener repressiven Machtstütze, die sich neben einer allgemeinen Gesellschaftsüberwachung und präventiven Kontrolle spezifisch gegen jene richtet, die sich ansatzweise (bereits) für eine andere Gesellschaftsperspektive organisieren. Er richtete sich in der jüngsten Vergangenheit in Deutschland gegen AntifaschistInnen, AtomkraftgegnerInnen, GlobalisierungsgegnerInnen und gegen militant kämpfende Gruppen. Nicht nur im Sinne von Propagandakampagnen, die etwa GlobalisierungsgegnerInnen als gewaltgeile Hooligans und Berufschaoten diffamieren sollten; vielmehr auch in handfesten Kriminalisierungen als „terroristische Vereinigungen“ mit entsprechenden Überwachungsmaßnahmen und Sonderbehandlungen im Knast.

Während heutzutage der Terrorismus-Begriff im öffentlichen Bewusstsein wohl eher mit reaktionären islamischen Fundamentalisten verbunden ist, wurde er entschieden in den Kampagnen gegen die revolutionären Bewegungen und den bewaffneten Kampf ideologisch geformt und in die Hirne getrichtert. Er tritt natürlich auch heute auf im Versuch der geschichtlichen Abwicklung der RAF, der – Jahre nach der Selbstauflösung der RAF – unvermindert anhält. Wie sehr die Optionen Aktualität und Abwicklung verbunden sind und im Widerspruch zueinander stehen zeigte nicht zuletzt das Beispiel Christian Klars. Eine banale Grussbotschaft an die Rosa-Luxemburg-Konferenz genügte, eine eigendynamische Hetze zu entfesseln, die eine stillschweigende Entlassung Christan Klars verhinderte. Die exemplarische Abstrafung eines Gefangenen, der nach 25 Jahren unter Sonderhaftbedingungen immer noch nicht zu Kreuze kriecht hatte ganz offensichtlich Vorrang vor dem Versuch, ein geschichtliches Kapitel im Sinne eines begnadigenden Staates ad acta zu legen. Letzteres ist für den Staat offensichtlich nur denkbar auf der Basis eines unbedingten Sieges. Eines Sieges im Sinne durchweg politisch gebrochener oder zumindest schweigender Gefangener und trotz des gescheiterten Versuches, die RAF zu zerschlagen.
Dieses Vorgehen, wie die gesamte Auf- bzw. Abarbeitung der RAF zielt natürlich auf heute ab. In Zeiten zunehmender sozialer Widersprüche und zunehmender, wenn auch selten massenhaft artikulierter Unzufriedenheit mit den Lebensverhältnissen, angesichts des vollständigen Korrumpierens und/oder Scheiterns reformistischer Ansätze dienen sie den Herrschenden als Botschaft. Der Staat vergesse nicht, er alleine habe die ideologische und historische Deutungsmacht und das Gewaltmonopol inne. Die bestehenden Verhältnisse seien alternativenlos, jeder Versuch sie abzuschaffen utopisch, kriminell wenn nicht gar schlicht verrückt. Abseits aller Versuche, Konflikte und ihre Geschichte zu entpolitisieren und individuell auf juristische, administrative und therapeutische Ebenen zu verlagern vermag es der Staat selbst nicht, diesen politischen Charakter seines Vorgehens auszublenden.
Letztlich gibt es (mindestens) drei Stränge, die von der RAF als historisch abgeschlossenem Projekt nach heute verweisen. Erstens die Aktualität einer grundsätzlichen Gesellschaftsveränderung wie sie die RAF als Teil der revolutionären Linken anstrebte. Ihr Kampf war ein Versuch, diese praktisch umzusetzen. Aus seinen Erfahrungen gilt es Erkenntnisse und Fehler herauszuarbeiten.
Zweitens existiert eine konkrete repressive Kontinuität. Immer noch sitzen Gefangene aus der RAF in den Knästen. Damit steht auch weiterhin ihre sofortige Freilassung auf der Tagesordnung. Zudem werden Ermittlungsverfahren immer wieder neu aufgerollt. Damit wird weiterhin eine Bedrohung gegen diejenigen aufrecht erhalten, die bereits jahrelang unter Sonderhaftbedingungen eingeknastet waren, deshalb jedoch nicht ihr politisches Bewusstsein über Bord geworfen haben. Darüber hinaus bedroht der Staat weitere Kreise etwa durch das Sammeln von DNA- Proben, mit der Begründung bislang ungeklärte Aktionen juristisch aburteilen zu können.

Drittens war der Kampf der RAF wie erwähnt nur ein – wenngleich sehr zugespitzter – historischer Ausdruck des grundsätzlichen Widerspruchs zwischen den staatlichen Verwaltern und Profiteuren des kapitalistischen Ausbeutungsbetriebes und revolutionärer Bewegung. Die gegen sie und andere in der Vergangenheit entwickelten Repressionsstrategien und konterrevolutionären Ideologien haben natürlich mit der Selbstauflösung der RAF nicht auch ihr Wirken eingestellt. Sie richten sich heute verstärkt gegen andere Feindbilder und werden an ihnen weiterentwickelt (Islamismus, „organisierte Kriminalität“ etc.). Sie stehen jedoch auch jederzeit auf Abruf und werden beizeiten gegen die Linke zum Einsatz gebracht.
So etwa jüngst gegen Genossen aus Berlin/Brandenburg, denen ein versuchter Anschlag auf Bundeswehrfahrzeuge vorgeworfen wird. Über teils abenteuerliche Konstrukte wird ihnen eine Mitgliedschaft in der „militanten Gruppe“ zugeschrieben. Einer Gruppe, die in der Vergangenheit u.a. militante Aktionen gegen Durchsetzer des Sozialabbaus, gegen die Kriegsinfrastruktur und zur Unterstützung politischer Gefangener durchgeführt hat. Sie wurden in einer Blitzaktion von einem Sonderkommando in Rambo-Manier verhaftet, per Hubschrauber zum BGH geflogen und sitzen bis heute in Haft (mehr dazu unter http://einstellung.so36.net)

Gegenwärtig sehen wir uns keinesfalls mit einer gesellschaftlichen Situation konfrontiert, in der von einem allgemeinen „Aufbruch“ die Rede sein könnte. Zugleich wird eine gesellschaftliche Stabilität durch die Verschärfung der sozialen Widersprüche auf allen Ebenen gefährdet; Folgen der Entwicklung des Kapitals, die die Herrschenden prinzipiell selbst nicht zu kontrollieren vermögen. Vor diesem Hintergrund ist es für sie umso bedeutender, jeden Keim einer potentiellen Gesellschaftsveränderung zu isolieren und zu zerschlagen. Im Umkehrschluss heisst dies, jede Gesellschaftsveränderung wird sich gegen das jahrzehntelang aufgebaute konterrevolutionäre Waffenarsenal mit seinen ideologischen und materiell-physischen Keulen durchzusetzen haben. Ohne dabei aus den Erfahrungen vergangener revolutionärer Versuche gelernt zu haben, sind diese Versuche mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt.
Nur wer aus der Geschichte lernt ist nicht dazu verurteilt ihre Fehler zu wiederholen.

“Dennoch war die Revolte nicht nur notwendig, sondern überdies, obzwar kein Erfolg, geschichtlich wirksam. Revolten kennen im allgemeinen nur das Scheitern, sonst wären sie Revolutionen. Die gescheiterte Revolte indessen greift in die Geschichte ein, sie setzt Zeichen, die teils verschwinden, um später wieder aufzutauchen, sie verändern doch die Welt.” Johannes Agnoli

Freiheit für die Gefangenen aus der RAF!
Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit der Praxis der RAF!
Gegen die Diffamierung revolutionärer Politik!
Für den Kommunismus!

Initiative die Herbstzeitlosen
Oktober 2007

(20.10.2007 | Quelle: Broschüre der Initiative die Herbstzeitlosen)