Stellungsnahme von Solidarität und Klassenkampf:
Was bringt dieser Lockdown, solange die Wirtschaft weiterläuft und die Kitas Notbetreuung machen, weil natürlich die meisten weiter zum Arbeiten müssen? Was ist mit jenen, die täglich zur Rushhour mit Bus und Bahn fahren müssen? Soll etwa eine alleinerziehende und berufstätige Mutter ihren ganzen Jahresurlaub gleich zu Beginn verbraten, um das Kind zu betreuen? Und was ist dann mit Erholung im Rest vom Jahr? Und lohnt es sich überhaupt den „Sonderurlaub“ in Anspruch zu nehmen, wenn du dann ein Drittel weniger verdienst?
Das Krisenmanagement des Staates ist gesundheitsgefährdend, konzeptlos, unsozial und verantwortungslos. Im Mittelpunkt der Maßnahmen steht die Profitmaximierung von Unternehmen und Reichen und nicht eine maximale Gesundheitsvorsorge oder soziale Gerechtigkeit.
Die Beschäftigten der Kultur- und Veranstaltungsbranche werden seit März letzten Jahres mit Füßen getreten. Die Gastrobeschäftigten schauen seit Monaten in die Röhre. Viele der sechs Millionen Minijobber*innen – gerade in der Gastro und Veranstaltungsbranche – werden wie ein Stück Scheiße behandelt und aufs Abstellgleis geschoben.
Und die vielen Beschäftigten in Teilzeit und Kurzarbeit? Für die sieht es kaum besser aus. Denn 60 Prozent von oft schon wenig ist halt noch weniger. Viele müssen sich den Kopf zerbrechen, wie sie die Lebenshaltungskosten und teuren Mieten bezahlen. Diese Belastung und der damit verbundene Stress ist etwas, was ganz unabhängig von der tödlichen Gefahr des Corona-Virus, an der Psyche und der Gesundheit vieler Menschen nagt.
Statt effektiver Pandemiebekämpfung, glich das Vorgehen des Staates die letzten Monate einer Flickenschusterei. Statt sich auf eine zweite Welle und damit verbundenen Gesundheitsnotstand effektiv vorzubereiten, bestand das Handeln aus Nichthandeln. Ein kleines Beispiel: Es hätte 1,5 Mrd. Euro gekostet jedes Klassenzimmer in Deutschland mit einem Raumlüftungs-Entkeimungsgerät auszustatten. Stattdessen investierte die Bundesregierung lieber 5,4 Mrd. Euro in 38 weitere Eurofighter-Kampfjets und erhöhte den Rüstungshaushalt um satte zehn Prozent. Innerhalb von Tagen hat der Staat hunderte Millionen Euro an Finanzspritzen für Konzerne lockergemacht. Für die kostenlose Bereitstellung von FFP2 Masken brauchte es ein dreiviertel Jahr und erst einen neuen Tagesrekord bei den Corona-Toten.
Hauptverantwortlich für die jetzige Situation ist nicht das individuelle Fehlverhalten der Menschen, sondern ein strukturelles Missmanagement der herrschenden Politik.
Wenn Merkel, Söder und Kretschmann jetzt von Solidarität und Nächstenliebe reden, dann ist das Heuchelei. „Das Wir muss wichtiger sein als das Ich – das bedeutet eben in diesen Tagen Verzicht“, das sagte Gesundheitsminister Jens Spahn Mitte Dezember in einer Rede. Dass einem wie Jens Spahn, der 23.700 Euro im Monat verdient und sich erst im Sommer eine vier Millionen Euro teure Villa rausgelassen hat, solche Worte leicht über die Lippen gehen, wundert nicht. Es zeigt viel mehr, dass die herrschende Politik von der Lebensrealität der meisten Menschen weit entfernt ist. Oder anders ausgedrückt: Die beschworene Nächstenliebe reicht – dass zeigen die Steuergeschenke und Milliardenpakete für Reiche und Konzerne – dann doch nur bis zum nächsten Kapitalisten, und nicht bis zu dir und mir, die wir vom monatlichen Einkommen abhängig sind um über die Runden zu kommen.
Die jetzigen Maßnahmen sind keine, die uns wirklich helfen. Etwa durch voll bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Kinderbetreuung, eine Lösung für übervollen Nahverkehr oder Schließung von nicht-existenziell notwendigen Betrieben bei voller Entgeltfortzahlung für die Beschäftigten. Wenn wir eine soziale Lösung der Corona-Krise wollen, dann müssen wir diese selbst durchsetzen und zwar nicht mit, sondern gegen diesen Staat der Reichen.
Auf der Arbeit antanzen, aber Ausgangssperre ab 20 Uhr?
Dass die Reduzierung von Kontakten die effektivste Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie ist leuchtet ein. Nach dem Willen der Regierung aber doch bitte vor allem im Privaten und der Freizeit. Shopping und volle Einkaufsmeilen wurden bis kurz vor Weihnachten aufs Äußerste ausgereizt. Vor allem aber darf die Produktion keinesfalls eingeschränkt werden, damit der Rubel für die Firmeneigentümer und Aktionäre von Konzernen weiter im Fluss bleibt.
Über Maßnahmen, die Reiche am Geldbeutel spüren wird gar nicht erst diskutiert. Stattdessen wird lieber die Polizei mobilisiert um den Zwang der privaten Isolation um so rigider durchzusetzen. Der Sicherheitsapparat zeigt was er kann, inklusive Law-and-Order-Willkür und rassistisch motivierter Personenkontrollen. Wer in Tagen vor Beginn der Ausgangssperre noch nach 20 Uhr unterwegs war weiß, dass Straßen und öffentliche Plätze aufgrund der Kälte keine Orte von geballten Menschenansammlungen waren, ganz im Gegenteil zu oft vollgestopften Bussen und Bahnen, mangelnden Abstandsmöglichkeiten zu Kolleg*innen auf Arbeit und vollen Umkleidekabinen in Betrieben.
Der Corona-Notstand kommt manchen Hardlinern ganz gelegen, die im Polizeijargon „Raumsicherung“ genannten Maßnahmen mal im großen Maßstab zu üben. Bestimmt wird das Konzept „Ausgangssperre“ auf kurz oder lang auch Eingang in die Polizeigesetze und Einsatzkonzepte finden. Denn Ausgangssperren waren immer schon ein gern genutztes Instrument zur Niederschlagung sozialer Unruhen. Es gibt viele effektive und sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie. Hinsichtlich der Infektionsgefahr gehört eine Ausgangssperre ab 20 Uhr und damit Aussetzung elementarer Grund- und Freiheitsrechte sicher nicht dazu.
Deutsche Industrie – der Motor muss laufen
Ein frühzeitiger und konsequenter Lockdown für die Industrie kam für die herrschende Politik im gesamten Jahr der Pandemie nicht in Betracht. Der Motor der deutschen Wirtschaft darf nicht ins Stocken kommen. Mehr Umsatzeinbußen sollen den Kapitalisten der mächtigsten Branchen für das laufende Jahr keinesfalls mehr zugemutet werden.
Ein wirklicher Lockdown inklusive Stilllegung aller nicht existenziell notwendiger Betriebe für einige Wochen wäre jedoch zumindest ein sinnvoller Teil einer wirklich effektiven Anti-Corona-Strategie, ergänzt durch flächendeckende kostenlose Testmöglichkeiten für Alle, einer massiven Beschaffung materieller Pandemiebekämpfungsgüter wie Lüftungsgeräte für Schulen und Einrichtungen und einer Personaloffensive für das Gesundheitswesen und Gesundheitsämtern.
Vieles passiert überhaupt erst gar nicht. Und das was passiert, passiert immer erst dann, wenn es unvermeidlich und eigentlich schon viel zu spät ist. Dieser Umstand ist natürlich ein politisches Versagen auf ganzer Linie, geschieht aber nicht aus reiner Unwissenheit oder weil die Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen wäre. Viel mehr zeigt uns dieser Umstand: Wir haben ein noch viel schwerwiegenderes Problem als die Pandemie: Ein Gesellschaftssystem, das für ein wirtschaftliches „Weiterso“ auf die Gesundheit und das Leben von Menschen scheißt, das Profite über Menschenleben stellt.
Milliardengeschenke für Konzerne, Almosen für den Rest
Bereits im Frühjahr wurden im Rekordtempo Hunderte Milliarden an großen Konzerne verteilt, ohne Bedingungen wie etwa Jobgarantien oder staatliche Mitsprache. Der Staat überwies alleine auf das Konto der Lufthansa 9 Mrd. Euro. Doch anstatt mit dem Geld Arbeitsplätze zu sichern, wurden bis Ende letzten Jahres 29.000 Beschäftigte entlassen. Bis Ende 2021 soll etwa jeder dritte Arbeitsplatz gestrichen werden. Bei den staatlichen Milliarden für die Lufthansa kann von einem „bedingungslosen Zuschuss zur Arbeitsplatzvernichtung“ gesprochen werden.
Über eine Erhöhung der Kurzarbeitergeldes wurde lange diskutiert um schließlich eine mittelmäßige Erhöhung nach längerem Bezug zu beschließen, die nicht mal für alle gilt. Die Kurzarbeit stellt zahlreiche Haushalte vor eine existenzielle Herausforderung. Auch kleine Selbstständige können seit Beginn der Pandemie nur unter sehr engen Voraussetzungen magere Hilfen beantragen, parallel wird aber angesichts der unklaren Regeln mit harten Strafen bei „Betrug“ gedroht. Kurzum: Wenn es um Konzerne geht, wird das Geld nach dem Gießkannenprinzip verteilt, bei allen anderen zückt der Finanzminister – wenn überhaupt – nur den kleinen Geldbeutel und geizt selbst da noch.
Was kein Geld bringt, wurde kaputt gespart
Das ist nicht neu. Auch in den letzten Jahrzehnten wurde überall gespart, wo es nicht direkt um Profite ging. Deshalb geraten die deutschen Krankenhäuser im Falle einer Pandemie schnell an ihre Grenzen. Demonstrativ wurde während der ersten Coronawelle noch dem Pflegepersonal applaudiert. Zu Beginn der zweiten Welle der Staat in der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes erst nach langem Ringen zu einer mittelmäßigen Erhöhung der Entgelte in der Pflege bereit. An der Personalknappheit hat sich gar nichts geändert: Laut Berichten der taz werden in Thüringen und weiteren Regionen sogar Corona-positive aber symptomfreie PflegerInnen zur Arbeit herangezogen. Bei den Gesundheitsämter wurde in den vergangenen Jahrzehnten genauso personeller Kahlschlag betrieben.
Ein Staat für Reiche
Seit dem Frühjahr stieg das Nettovermögen der 119 Superreichen von 500 auf 590 Mrd. Euro, während die Einkommen der breiten Bevölkerungsteile geschrumpft sind. Die Vermögensentwicklung zeigt uns den Klassencharakter dieses Systems und wessen Interesse dieser Staat im Kern vertritt. Während Arbeiter*innen und kleine Selbstständige um ihre Existenz bangen müssen, profitieren die Reichen schamlos von der Krise. Bei den Kapitalisten klingelt die Kasse, während infolge der Krise bisher 600.00 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben und bisher sieben Millionen Menschen in Kurzarbeit geschickt wurden. An einer neoliberalen Agenda und der strikten Weigerung, die Reichen für die Krisenkosten heranzuziehen, sind sich neben der Bundesregierung von Grünen bis zur AfD alle einig.
Eine neue Ordnung muss her – der Kapitalismus muss weg!
Im Kapitalismus wird eine gute Gesundheitsversorgung und adäquate Krisenvorsorge niemals getroffen werden – das ist schlicht nicht rentabel. Von diesem Staat, der auch als parlamentarische Wirtschaftsvertretung betitelt werden könnte, haben wir nichts anderes zu erwarten. Die Krise war bereits vor der Pandemie allgegenwärtig: Millionen Menschen im Niedriglohnsektor, Ausbau vom Überwachungsstaat, Umweltzerstörung und Kriege für Rohstoffe. Das aktuelle Krisenmanagement ist ein Management der kapitalistischen Krise. Für dauerhaft gute Lebensbedingungen braucht es ein grundsätzlich anderes Gesellschaftssystem, den Sozialismus. Eine Politik welche die Bedürfnisse und sozialen Anforderungen ermittelt und eine daran ausgerichtete Wirtschaftsordnung nach Plan. Dazu zählt genauso ein kostenloser Zugang zu Gesundheit und Bildung, eine Grundversorgung mit gutem und bezahlbaren Wohnraum oder wirkliche betriebliche Mitverwaltung.
Eine soziale Lösung der Corona-Krise
Soziale Sofortmaßnahmen bis hin zu anderen Macht- und Herrschaftsverhältnissen müssen wir selbst durchsetzen. Wenn wir eine soziale Lösung der Corona-Krise wollen, ist weder auf diesen Staat verlass, noch auf Querdenken, AfD & Co. Unsere Antwort ist Organisierung, also das gemeinsame zur Wehr setzen gegen Arbeitsplatzvernichtung, Kürzungsdiktate und für finanzielle Unterstützung die zum Leben reicht. Wir sind vielleicht in verschiedenen Berufen und Branchen tätig, doch uns verbindet gemeinsame Interessen: Gesundheit darf keine Ware sein, Joberhalt und gute Lebensbedingungen sind wichtiger als die Profitmacherei von wenigen. Es braucht gleiche Löhne für gleiche Arbeit, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft. Die Manager und Reichen sollen die Kosten der Krise tragen. Dafür müssen wir gerade jetzt aktiv sein, uns zusammenschließen und für eine krisenfeste Zukunft kämpfen.