Gestärkt für den Klassenkampf in Krisenzeiten –
In Stuttgart gibt es aktuell zwei Strukturen mit vielen Überschneidungen und einem ähnlichen politischen und praktischen Anspruch. Das sind zum einen die seit 2013 bestehende „Initiative Klassenkampf“ und der mit dem Corona-Shutdown neu entstandene Zusammenschluss „Solidarisches Stuttgart“. Die Initiative Klassenkampf engagiert sich seit ihrer Gründung gegen niedrige Löhne, steigende Mieten und Sozialabbau. Zu ihrem Aktions-Portfolio gehörten die vergangenen Jahre auch die Unterstützung von Arbeitskämpfen in der Region und Kampagnen gegen Werkverträge, Leiharbeit und rechte Umtriebe im Betrieb. Neben den monatlichen offenen Treffen fanden regelmäßig Veranstaltungen statt und veröffentlichte die Initiative diverse Publikationen, z.B. ein Faktencheck zur rechten Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“, oder eine Broschüre zum Thema Mietenwahnsinn und Wohnraummangel. Mit Beginn des Corona-Shutdowns wurde die politische Arbeit jedoch fast vollständig zurückgefahren. Diese Lücke füllte in weiten Teilen der Zusammenschluss Solidarisches Stuttgart, dessen Entstehungsprozess wir kurz skizzieren wollen, bevor wir auf die Zusammenführung der beiden Strukturen eingehen.

Corona-Shutdown – was tun?
Mitte März erfolgte der Corona-Shutdown. Die umfassenden Beschränkungen erforderten eine schnelle Anpassung der politischen Arbeit an die neuen Gegebenheiten. Treffen konnten nicht wie gewohnt stattfinden, Versammlungen waren verboten, ein sorgsamer Infektionsschutz musste berücksichtigt werden. Für viele Aktive aus dem Umfeld vom Linken Zentrum Lilo Herrmann war dennoch klar: Handlungsunfähigkeit, Inaktivität oder die reine Verlagerung der politischen Arbeit in den virtuellen Raum dürfen unter keinen Umständen eine Option sein – auch nicht in Zeiten von Pandemien. So stellte sich schnell die Frage, was tun?

Der Zusammenschluss „Solidarisches Stuttgart“ entsteht
Eine Antwort auf diese Frage war die Gründung vom Zusammenschluss „Solidarisches Stuttgart“ am 18. März 2020, nur wenige Tage nach Beginn des Shutdowns. Unter dem Motto „Gelebte Solidarität statt Vereinzelung“ wurde quasi über Nacht eine Nachbarschaftshilfe auf die Beine gestellt. Aushänge in mehreren Sprachen mit Kontaktdaten und Hilfsangeboten wurden in allen Stadtteilen ausgehängt, ein Büro, und Kontakttelefon eingerichtet. Das Büro war täglich von 9-19 Uhr besetzt und koordinierte die Hilfsangebote. Doch die Situation erforderte mehr als nur Nachbarschaftshilfe. Denn die Corona-Krise zeigte eindringlich, dass im Kapitalismus Profite mehr wert sind als Menschenleben und mit zweierlei Maß gemessen wird. Während das ganze Leben heruntergefahren wurde und Menschen in der Öffentlichkeit nur zu zweit rumlaufen durften, wurde in vielen Betrieben weitergearbeitet als wäre nichts gewesen. Deshalb gründeten sich mehrere AGs um politische Arbeit zu organisieren und dort aktiv zu sein, wo sich Widersprüche zuspitzen, vor allem im betrieblichen Kontext.

Unter dem Motto „Nicht auf unserem Rücken“ wurden zahlreiche Solidaritäts- und Unterstützungsaktionen organisiert. In den eineinhalb Monaten bis zum 1. Mai gab es eine ganze Palette an Aktivitäten: Neben der Nachbarschaftshilfe wurde eine telefonische Arbeitsrechtsberatung angeboten, gab es dutzende Wandzeitungen, Aktionen vor Betrieben, in Krankenhäusern und Blitzkundgebungen im öffentlichen Raum. Begleitend wurde eine umfassende Medienarbeit organisiert und entstanden Videos mit Betroffenen der Krise.

Was die Arbeit der verschiedenen AGs von Beginn an verband, war:

  • eine solidarische Bezugnahme und Unterstützung der Kämpfe untereinander
  • eine antikapitalistische Perspektive
  • ein Klassenstandpunkt: Es gibt kein „wir sitzen alle im selben Boot“, sondern einen Trennstrich und Interessensunterschiede zwischen Kapitalisten und Lohnabhängigen

Shutdown geht – Wirtschaftskrise kommt!
Seit dem 1. Mai erleben wir eine Politik der Lockerungen. Viele der Beschränkungen sind wieder aufgehoben und auch der reguläre Politikbetrieb vieler Organisationen und Gruppen läuft wieder an – so auch die Arbeit der Initiative Klassenkampf. Gleichzeitig erleben wir eine stufenweise Vertiefung der Wirtschaftskrise und eine Krisenlösung zugunsten der Reichen und zu Lasten der lohnabhängig Beschäftigten.

Es drohen fundamentale Angriffe auf erkämpfte Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung.

Die Kapitalseite und ihre Lobby fordert die dauerhafte Einführung der 48-Stunden Woche, Steuererleichterungen für Unternehmen, den Abbau von gewerkschaftlichen Mitbestimmungsrechten, ein Verzicht auf Erhöhung vom Mindestlohn und und und.

Einige Firmen wie z.B. Eberspächer in Esslingen haben bereits Stellenabbau beschlossen. Doch es ist bisher erst ein Vorgeschmack von dem, was noch kommen wird. Denn jeder vierte Betrieb in der Region Stuttgart hat Beschäftigungsabbau beschlossen. Bereits vor Corona war die strukturelle Krise des Kapitalismus unübersehbar (Überproduktionskrise, Klimakrise, Niedriglohnsektor etc.). Nun steuern wir auf eine tiefgreifende Wirtschaftskrise und knallharte Verteilungskämpfe zu. Die Kapitalisten wollen die Krise nutzen um noch reicher zu werden und die Krisenkosten den Lohnabhängigen aufzuhalsen. Das dürfen und werden wir nicht hinnehmen. Im Gegenteil: Widerstand und Organisierung sind gerade jetzt ungemein wichtig, genau wie das aktiv werden für eine bessere Gesellschaft: Eine Gesellschaft ohne Wirtschaftskrisen, ohne Ellenbogen- und Konkurrenzdenken. Eine Gesellschaft, in der es im Beruf oder im Alltag nicht mehr wichtig ist, aus welchem Land der Nachname stammt oder welchem Geschlecht man angehört. Eine Gesellschaft, in der politisch wichtige Entscheidungen wie die Frage eines menschenorientierten Gesundheits- oder Nahverkehrsystems nicht mehr über unsere Köpfe hinweg, sondern wirklich demokratisch getroffen werden. Eine Gesellschaft, in der der erarbeitete Reichtum nach Fähigkeiten, Bedürfnissen und dem eigenen Beitrag verteilt wird und in der Zustände wie Krieg, Obdachlosigkeit oder Armut der Vergangenheit angehören. Mit einem Wort: eine sozialistische Gesellschaft. Diese Perspektive zu erklären, in unserer Klasse zu verbreiten und mit ihr für sie zu kämpfen. Für diese kommenden Auseinandersetzungen müssen wir uns bestmöglich wappnen und strukturell aufzustellen.

Zusammenführen was zusammengehört!

Klar ist, dass ein nebeneinander her arbeiten von zwei Strukturen mit fast identischem Anspruch und Praxis wenig Sinn macht. Genau das ist mit der IKKS und Solidarisches Stuttgart gerade der Fall. Deshalb haben sich die Aktiven aus Initiative Klassenkampf und Solidarisches Stuttgart in einem gemeinsamen Prozess für eine strukturelle Zusammenführung entschieden. Dieser Schritt ist zwar das formelle Ende beider Strukturen. Doch wir verstehen diesen Schritt als eine gemeinsame Weiterentwicklung und Stärkung für eine klassenkämpferische Politik in der Region Stuttgart. Letztlich ist es auch eine logische Konsequenz aus den bestehenden Gegebenheiten, bündelt Kräfte und ermöglicht eine effektivere Arbeit.

Solidarität und Klassenkampf

Die neue Organisation trifft sich einmal im Monat in großer Runde. Alle die Lust haben mitzumachen oder einfach mal die Gruppe kennenlernen wollen sind herzlich eingeladen vorbeizuschauen. Die konkrete Arbeit zu Auseinandersetzungen in verschiedenen Branchen und einzelne Aktionen werden über Arbeitsgruppen organisiert, z.B. in einer AG-Pflege und AG-Produktion. Für die Koordinierung und je nach Bedarf weitere Kampagnen ist ein gemeinsames Büro verantwortlich. Dazu soll auch regelmäßig Raum für Diskussionen und Bildungsarbeit geschaffen werden.

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