Gesetzesverschärfungen, Ausweitung von Überwachung und polizeilichen Befugnissen, Verurteilungen politisch Aktiver – seit Jahren beobachten wir eine Zunahme staatlicher Repression. Die Felder, auf denen die sprichwörtlichen Daumenschrauben immer enger gelegt werden, sind sehr unterschiedlich. Die Verschärfungen treffen Wohnungslose genauso wie die aktive Fußballfan-Szene, Geflüchtete genauso wie politisch Aktive linker Bewegungen. Doch auch wenn die Betroffenen so unterschiedlich erscheinen, ist der generelle Trend der Repression weder zufällig noch beliebig. Wie bei jeder gesellschaftlichen Auseinandersetzung im Kapitalismus, sind auch hier unterschiedliche Interessen, die sich aus unterschiedlichen Klassenzugehörigkeiten innerhalb der Gesellschaft ergeben, wesentliche Ursache der Entwicklung.

Mal wieder steckt der Kapitalismus in einer Krise. Seit Jahrzehnten hangelt er sich von einer Erschütterung zur Nächsten. Der ganz große Knall blieb zumindest in Deutschland bisher zwar aus, aber die Rettungskorridore werden auch hier schmaler. So können in der aktuellen Krise, anders als in vergangenen Wirtschaftskrisen, die Folgen des Kapitalismus nicht mehr so einfach auf südeuropäische Länder abgewälzt werden. Seit einigen Jahren spüren wir auch hier die Krise, deren Auswirkungen in den kommenden Jahren zunehmen werden: Von geplanten Massenentlassungen, über Angriffe auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen in Tarifauseinandersetzungen, bis hin zu sozialpolitischen Offensiven der Kapitalisten, beispielsweise rund um das Renteneintrittsalter und deren Privatisierung. Die Kapitalisten versuchen jede Stellschraube zu drehen, um noch mehr Profit aus Waren, Produktion und der Arbeitskraft von uns Lohnabhängigen zu pressen.

Das Vordringen der kapitalistischen Profitlogik, bis in die intimsten Lebensbereiche, bei einem gleichzeitigen Scheitern dieses Gesellschaftssystems an existenziellen Menschheitsherausforderungen, wie dem Klimawandel, ist offenkundig. So sehr, dass immer mehr Menschen beginnen am Kapitalismus zu zweifeln. Noch sind wir weit von einer revolutionären Situation entfernt, denn nach wie vor können die Herrschenden den kriselnden Kapitalismus über Wasser halten und unter den Beherrschten ist die Bereitschaft für einen Bruch zu kämpfen noch überschaubar. Die sozialen Bewegungen der vergangenen Jahre zeigen jedoch, dass spontane Dynamiken entstehen können, die durchaus Sprengkraft besitzen. Beispiele hierfür sind die großen Kämpfe gegen neue Arbeits- und Rentengesetze in Frankreich, das Entstehen der Gelbwesten die dem neoliberalen Macron den Kampf angesagt haben oder weltweite Welle antirassistischer Kämpfe. Zwar gelingt es den Herrschenden meist noch entsprechende Bewegungen zu befrieden, doch die Anzahl und Tiefe der gesellschaftlichen Risse nimmt zu.

Kein Wunder, dass diese Entwicklungen die Herrschenden verunsichern. Auch sie spüren, dass das System, das ihre gesellschaftliche Stellung, ihre Privilegien und ihren Reichtum sichert, keine Ewigkeitsgarantie besitzt. Hinzu kommt, dass auch wenn revolutionäre Organisationen und militante Strukturen derzeit noch keine konkrete Bedrohung für den bürgerlichen Staat darstellen, durchaus Ansätze erkennbar sind, die das Potenzial besitzen zu einer solchen zu werden. Der phasenweise Kontrollverlust der Polizei beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 oder die organisierten Angriffe auf Nazifunktionäre in Sachsen und Thüringen in den vergangenen Jahren, lassen zumindest eine Gefahr für die Herrschenden aufblitzen. Da ist es nur folgerichtig, dass der Staat in allen Lebensbereichen die Überwachung ausweitet und das Arsenal repressiver Instrumente permanent erweitert. Die Gesetze und Verschärfungen, die jetzt noch von weiten Teilen der Gesellschaft getragen werden, sind Maßnahmen, die bestens gegen erstarkende politische Widerstandsbewegungen oder eine aufbegehrende Arbeiter:innenklasse eingesetzt werden können.

Die deutschen Innenminister sind fachlich zuständig für die staatliche Repression. Ihre Zusammenarbeit organisieren sie über die „Ständige Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder“ (IMK). Ob verwaltungsrechtliche Verschärfungen, sogenannte „Antiterrormaßnahmen“ oder Arbeitsvorgaben an die Verfassungsschutzbehörden, in deutscher Gründlichkeit bearbeitet die IMK die Repressionsmechanismen in ständigen Arbeitskreisen. Die Ausweitung von Freiheits- und Bürger:innenrechten ist nie Thema. Ganz im Gegenteil wirken die Arbeitsergebnisse und daraus folgenden Beschlüsse der IMK stets in die entgegengesetzte Richtung.

Richtig und wichtig ist es daher, dass die Tagungen der IMK fast immer von Protesten begleitet werden. Auch gegen die Herbsttagung der IMK, die im Dezember 2021 in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart stattfinden soll, sind Proteste geplant. Die damit verbundenen Mobilisierungen ermöglichen es uns öffentlichkeitswirksam sichtbar zu machen, dass die permanenten Verschärfungen keineswegs im Sinne aller sind.

Doch die Widersprüche, für die die IMK stellvertretend steht, begleiten uns darüber hinaus in unserem politischem Alltag. Ständig und allgegenwärtig. Hier heißt es standzuhalten:

  • Wenn Antifas in ihrer politischen Praxis mit einem massiven Kriminalisierungsdruck konfrontiert sind
  • Wenn linke Demonstrationen von der Polizei angegriffen werden
  • Wenn Sozialproteste über mediale Hetze delegitimiert werden
  • Wenn politische Vereine mithilfe von Verwaltungsvorschriften gegängelt werden

Denn dieses Standhalten ist mehr als nur ein reiner Selbsterhaltungskampf. In diesem Standhalten wächst politische Gegenmacht. Die aufkeimende Gegenmacht ist elementarer Teil der Entwicklung des revolutionären Aufbauprozesses. Nicht irgendwann in ferner Zukunft sondern jetzt – im und gegen das bestehende System. Gegenmacht kann nur erfolgreich entwickelt werden, wenn sie unterschiedliche Ebenen umfasst. Neben den politisch-ideologischen gehören hierzu auch soziale und kulturelle. Wesentlich ist auch das Entwickeln einer Praxis, die sich nicht alleine an den Leitplanken in denen der Staat Protest gestattet orientiert. Es kann und darf von uns niemals akzeptiert werden, dass der Staat, dessen Kernaufgabe die Aufrechterhaltung des bestehenden Systems ist, darüber entscheidet, welche Widerstandsformen zulässig sind und welche nicht. Würden wir diese militanten Haltung aufgeben würden wir zwangsläufig auch unseren eigenen, revolutionären Anspruch aufgeben.

Wenn die Grenzen des konformen Protestes überschritten werden, zieht das zwangsläufig eine Reaktion des Staates nach sich. Die Art und Weise der Strafe und ihre Härte hängen dabei von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ab. Und ja, schon ihrer Definition nach ist Gegenmacht vor dem revolutionärem Bruch auch immer eine unterlegene Macht. Das heißt wir können und werden nicht jede Auseinandersetzung für uns entscheiden können, sondern müssen lernen auch mit den Nicht-Erfolgen umzugehen. Dann kommt es immer wieder darauf an, die Ohnmacht zu durchbrechen und in die Offensive zu kommen. Solidarität und Zusammenhalt sind die zentralen Hebel, um Lähmung und Resignation erfolgreich begegnen zu können.

Mit Zunehmen der Krise nehmen auch die gesellschaftlichen Widersprüche zu. Für uns kommt es darauf an, die eigene Seite entlang dieser Widersprüche und der Kämpfe die aus ihnen entstehen zu entwickeln, sie für den Aufbau von Gegenmacht zu nutzen. Denn Gegenmacht kann nicht erst im Aufstand entstehen, sie muss durch tägliche Praxis kontinuierlich aufgebaut werden, durch kollektive Kampferfahrungen im Betrieb und in den politischen Widerstandsfeldern. Ob uns das gelingt muss der Maßstab für jede Aktivität und jede Aktion sein.

Für einen Bruch mit dem Kapitalismus, für eine revolutionäre Perspektive!

Auf die Straße: #noimk

Vom 1. bis 3. Dezember 2021 findet die Hauptkonferenz der IMK in Stuttgart statt. Rund um das Treffen der Innenminister sind verschiedene Proteste geplant. Am Tag des Konferenzabschlusses findet eine Demo statt. Aktuelle Infos unter noimk-stuttgart.org

Demonstration: Freitag, 3. Dezember 2021, 17 Uhr Eckensee

Mehr Infos unter: www.noimk-stuttgart.org

#NoIMK
#nichtunsereSicherheit