Für eine Zukunft ohne Krisen – Revolutionäre Organisierung in der Klimabewegung
Hitzewellen in Kanada und Griechenland, Fluten in China und Jahrhunderthochwasser in Deutschland, ein Amazonas, der wegen Waldbränden mehr CO2 ausstößt, als er verbraucht – dass die Klimakrise eines der ernsthaften Anliegen der Menschheit ist, leugnet kaum noch jemand. Klimaschutz ist längst nicht mehr ein Randthema, das von einigen Aktivist:innen gefordert wird. Klimaschutz ist ganz offiziell in der „großen“ Politik angekommen und bei der kommenden Bundestagswahl das bestimmende Thema.
Einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen ist der Verkehr. Und in Deutschland damit die einflussreiche Autoindustrie. Ihr Wirtschaftsmodell – Individualverkehr mit immer größeren, leistungsstärkeren Fahrzeugen – ist eigentlich überholt. Darüber hinwegtäuschen sollen Marketingevents wie die IAA, die Internationale Automobilausstellung, die dieses Jahr in München stattfindet. Der neue Zusatz der Messe „Mobility“ soll suggerieren die IAA sei eine zukunftsweisende Infoveranstaltung. Doch auch ein paar E-Bikes können nicht verbergen, dass es sich hier um eine (öffentlich subventionierte) Werbeveranstaltung handelt. Die breit geförderte und beworbene Elektromobilität ist der Versuch die schwächelnde Autoindustrie ins neue Jahrtausend zu retten, ohne an ihren Grundprinzipien etwas zu ändern: Ausbeutung von Natur und Menschen, ewig wachsende Absatzmärkte und das persönliche Glücksversprechen durch ein paar mehr PS.
Wir als revolutionäre Struktur beteiligen uns an den Protesten gegen die IAA, gegen ein Symbol für das grün gefärbte „Weiter so“ im Wahnsinn eines Systems, das von einer Krise in die nächste rutscht. Dieses System Kapitalismus müssen wir überwinden, um die Klimakrise aufzuhalten. Wie die Strategien dafür in einer klassenkämpferischen Klimabewegung und der revolutionären Bewegung insgesamt aussehen könnten, wollen wir hier skizzieren.
Willkommen im grünen Kapitalismus
Greenwashing überall: Die „IAA Mobility“ reiht sich ein in eine Parade hunderter Umweltsiegel, CO2-Kompensationsmöglichkeiten und neuer, angeblich nachhaltiger Produkte. Dem entgegen stehen immer dramatischere Meldungen über den Zustand des Klimas, weltweit steigende Emissionen und Naturkatastrophen. Der Widerspruch ist offensichtlich. Es zeigt sich: All diese kosmetischen Veränderungen, all die grünen Produkte sind nicht dazu gedacht, das Klima zu retten. Sie sollen nur den Profit aufrecht erhalten. Das ist kein Zufall: Im Kapitalismus wird jedes menschliche Bedürfnis ausgenutzt, um Kapital zu vermehren und das ohne moralische Wertung. Zurzeit verspricht es nun mal Profit, sich grün zu geben. Und dabei bleibt es auch: Tricks, Betrügereien und von Unternehmen selbst erfundene Maßstäbe dominieren den Markt. In Wirklichkeit reproduzieren auch angeblich „nachhaltige“ Produkte die Mechanismen, die erst zur Klimakatastrophe geführt haben: Profit, Ausbeutung und Konkurrenz.
Es sind auch diese selben Mechanismen, die immer wieder in die ökonomische Krise führen. Nicht erst seit Corona, nicht erst seit der Klimakatastrophe, befindet sich der Kapitalismus in der Krise. Ein auf unendliches Wachstum ausgerichtetes System, in einer Welt voller begrenzter Märkte und endlicher Rohstoffe, ist zur Krise verdammt. Ein System, das belohnt je mehr die Produktivität ausgedehnt wird und in dem jeder Rückgang der Produktion bestraft wird, wird zwangsläufig immer wieder an seine Grenzen stoßen. Und dadurch, dass die Entwicklung dieser Produktion seit über 150 Jahren technisch vollkommen auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe basiert, ist sie die perfekte Triebfeder für die Klimakrise.
Was wir von einem „grünen Kapitalismus“ zu erwarten haben, sehen wir jeden Tag. Es ist ein Kapitalismus mit grünem Anstrich, mit ein paar, auf weit entfernte Jahrzehnte verschobene Versprechungen. Selbst diese kleinsten Errungenschaften mussten in den letzten Jahren durch eine weltweite Bewegung hart erkämpft werden, obwohl die Fakten zur Klimakrise der Politik und Unternehmen schon seit Jahrzehnten bekannt sind. Wieso sollten wir diesem System und seinen Profiteuren auch nur eine Minute Zeit lassen noch mehr Schaden anzurichten?
Um all diese Zusammenhänge, in ihrer Gesamtheit zu erfassen, braucht es eine revolutionäre Organisierung. Eine Organisierung, die in der Lage ist, die Verhältnisse zu analysieren und eine gesamtgesellschaftliche Perspektive jenseits des Kapitalismus zu formulieren.
Die Hoffnung in den bürgerlichen Staat aufgeben
Als revolutionäre Bewegung ist für uns klar: Der deutsche Staat ist zuallererst ein Vertreter der deutschen Wirtschaft. Er ist dazu da die herrschenden Besitzverhältnisse zu sichern. Konkret: Zu sichern, dass das obere Zehntel der Bevölkerung fast 67 % des Vermögens besitzen, während die untere Hälfte kaum 1 % hat. Zu sichern, dass Menschen, die ohne Wohnung dastehen, sich nicht einfach die leerstehenden Häuser nehmen. Zu unterbinden, dass umweltschädliche Bauprojekte von Menschen in ihrem eigenen Interesse gestoppt werden.
Natürlich muss der deutsche Staat teilweise widerstrebende Interessen verschiedener Kapitalfraktionen abwägen, natürlich muss er auch in irgendeiner Weise auf die Klimakrise reagieren. Aber das geschieht immer so, dass die Kosten der Klimakrise nicht den Verursachern, den Konzernen und ihren Aktionär:innen angelastet werden. Stattdessen zahlen wir, die arbeitenden Menschen, durch CO2-Steuer, steigende Energie- und Mobilitätskosten, Entschädigungszahlungen an Konzerne aus Steuergeldern und persönlichem Arbeitsplatzverlust, wenn Branchen umgebaut werden.
Die Klimagerechtigkeitsbewegung hat sich trotz allem in der Vergangenheit teilweise sehr positiv auf den bürgerlichen Staat bezogen und eng mit bürgerlichen Parteien zusammengearbeitet.
Was wiederum die Politik aus den Forderungen der Bewegung gemacht hat, ist eine Debatte um persönlichen Konsumverzicht. Kein Wunder, dass der Kampf für das Klima bei vielen Menschen als Ding der „Eliten“ wahrgenommen wird, mit dem sie vor allem Einschnitte in ihre Lebensrealität verbinden. Eine Bewegung, die sich an die herrschenden Parteien und Institutionen wendet, kann sich nur unglaubwürdig machen. Die meisten Menschen haben ohnehin schon erkannt, dass sie korrupt sind und nicht in unserem Interesse handeln. Dem können wir nur entgegentreten, wenn wir uns klar gegen das Kapital stellen, das unsere Lebensgrundlagen zerstört und gegen seinen Staat. Wir müssen unsere eigenen Alternativen zur Lösung der Klimakrise anbieten und unsere eigenen Strukturen aufbauen, die in der Lage sind, diese irgendwann auch durchzusetzen.
Aber nicht nur inhaltlich, auch praktisch zeigt sich, dass es keine Zusammenarbeit mit dem Staat des Kapitals geben kann. Dieser Staat ist unser Gegner und vertritt lediglich die Interessen des Kapitals. Mit Haftstrafen gegen Umweltaktivist:innen, neuen Versammlungsgesetzen und Beobachtung durch den Verfassungsschutz zeigt dieser Staat, dass er die Klimagerechtigkeitsbewegung als einen Gegner erkannt hat und nicht zimperlich mit ihr umgehen wird, sobald sie Kapitalinteressen angreift.
Es reicht nicht aus das alles abstrakt anzuerkennen. Der Widerspruch zwischen uns und dem Staat muss sich auch in unserer konkreten Praxis wiederfinden. Wir appellieren nicht, wir bitten nicht, wir setzen nicht darauf, dass es reicht, einmal alle paar Jahre die richtige Partei zu wählen. Wir setzen auf unsere eigene Stärke, wir schützen uns vor dem Zugriff der Repressionsorgane, wir bauen unsere Seite auf und schaffen so Gegenmacht von unten. Dazu braucht es eine starke, revolutionäre Bewegung, die in allen Bereichen kämpft und reale Gegenmacht aufbauen kann.
Kämpfe verbinden durch Klassenbewusstsein
Eine Antwort auf die Klimafrage kann nicht unabhängig von den Klassenverhältnissen im Kapitalismus formuliert werden. Denn die Folgen der Klimakrise treffen eine Klasse besonders hart: Die der Lohnabhängigen. Die Klasse der Kapitalist:innen befeuert währenddessen eben jene Klimakrise konstant weiter. Wir sitzen nicht alle „im selben Boot“ oder selbst wenn: Dann sind es wir, die das Boot für ein paar Krümel auf Vollgas am Laufen halten während die Herrschenden bestimmen in welche Richtung es fährt. Für weitere Profite zielstrebig in Richtung Klimakatastrophe. Doch genauso könnten die, die arbeiten, ihre Macht erkennen, sich der entscheidenden Positionen bemächtigen und das Ruder herumreißen.
Dazu braucht es zuerst ein Bewusstseins dafür, dass wir gemeinsam diese Macht haben und dass wir als Lohnabhängige gemeinsame Interessen haben für die wir kämpfen können. Die Klimakrise aufzuhalten, ist nur eine dieser Interessen.
Frauen, die sich gegen Diskriminierung und schlechte Bezahlung wehren, antifaschistische Kämpfe gegen den Rechtsruck, indigene Bevölkerungen, die sich gegen Landraub durch Konzerne stellen, Streiks von Arbeiter:innen für Arbeitszeitverkürzung, Widerstand gegen Rassismus, Antisemitismus, Homophobie – all diese Kämpfe sind direkte oder indirekte Klassenkämpfe, weil sich hier die Ausgebeuteten gegen das System Kapitalismus und seine uns spaltenden Mechanismen zur Wehr setzen und dadurch früher oder später in einen Widerspruch mit dem herrschenden System treten.
Um den Kapitalismus als Ganzes anzugreifen, bedarf es aber nicht nur dem Widerstand in den verschiedenen politischen und ökonomischen Kämpfen – es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive einer Welt jenseits des Kapitalismus. Nur so können wir verhindern, dass Kapitalist:innen die ökonomische Sicherheit von Beschäftigten gegen den Klimaschutz ausspielen, wie es zum Beispiel beim Umbau der Automobilindustrie schon geschieht. Nur so können wir verhindern uns in unzähligen Einzelkämpfen zu verlieren und stattdessen das verbindende Element unserer Kämpfe immer mitdenken: Unser gemeinsames Interesse als Klasse, den Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und endlich eine Gesellschaft aufzubauen, für die es sich zu leben lohnt.
Revolutionär: In der Bewegung – mit der Bewegung
Die Klimakrise ist eine der größten Bedrohungen für eine lebenswerte Zukunft. Es ist in der heutigen Situation also unerlässlich, sich gegen sie und ihre Verursacher, in einem eigenen Kampf zu organisieren. Das reicht aber nicht aus – die vielen drängenden Fragen unserer Zeit und nicht zuletzt die Fragen nach einem Bruch mit diesem System erfordern revolutionäre Strukturen.
Strukturen, die in und mit den verschiedenen fortschrittlichen Bewegungen kämpfen, als Bindeglied fungieren und eine klare Linie im Kampf um eine andere Welt vertreten.
Vergangene Erfahrungen (auch umweltpolitische) zeigen, dass große Bewegungen, die sich an einer zentralen Forderung abarbeiten, sehr schnell gebrochen werden können. Entweder sie werden in gemäßigter, unbefriedigender Form ins System integriert oder der konkrete Kampf wird verloren und die Aktiven bleiben voller Frust zurück. Diese Gefahr besteht permanent in der Klimabewegung.
Auch wenn die Klimakatastrophe kein Problem ist, das so schnell von der Bildfläche verschwinden wird: Um eine langfristige Perspektive zu bieten, muss der Kampf dagegen eingebettet sein in eine umfassende Bewegung und angebunden an eine revolutionäre Organisierung, die eine Orientierung über die Tagespolitik hinaus bietet. Diese muss auf Ereignisse in allen gesellschaftlichen Bereichen reagieren können, Abwägungen treffen, was gerade wichtig ist und auf allen Ebenen und zu verschiedenen Schwerpunkten Menschen organisieren können.
Zentral dabei ist: Die zugrundeliegenden Widersprüche der Auseinandersetzungen, die wir führen, werden sich im Kapitalismus nie lösen lassen. Das muss sich in allem wiederfinden, unseren Inhalten, unserem Ausdruck, der Art wie unsere Strukturen aufgebaut sind.
Die Klimakrise macht klar, dass wir in all dem keine Zeit verlieren dürfen.
IAA als Symbol angreifen
Lasst uns die Werbeveranstaltung des Autokapitals, die IAA, nutzen, um eine gemeinsame, klassenkämpferische Antwort zu formulieren: Wir sind bereit zu kämpfen, gemeinsam mit Beschäftigten, gemeinsam mit der Klimabewegung, als revolutionäre Bewegung. Wir haben eine klare Perspektive, wo es hingehen soll: Konzerne entmachten und enteignen. Sozialismus aufbauen. Klimakrise aufhalten.
Kommt zu den Protesten gegen die IAA in München, beteiligt euch am Camp, vernetzt euch, kommt zu den Demonstrationen, zu den direkten Aktionen – machen wir die IAA zum Desaster!
Website von Smash IAA: https://smashiaa.noblogs.org/