Am 18. Juli geht es raus auf die Straße! Unter dem Motto #NichtAufUnseremRücken – Die Reichen sollen die Krise bezahlen! Werden wir zusammen mit KollegInnen und BündnispartnerInnen aus Betrieben, Gewerkschaften und linken Organisationen einen gemeinsamen Aufschlag machen: Für klassenkämpferische und antikapitalistische Perspektiven in der Krise, für Solidarität unter ArbeiterInnen über Branchengrenzen hinweg und für ein neues gesellschaftliches Klima: Statt „Sozialpartnerschaft“ zu spielen, sanieren die Krisenmanager und Profiteure ihren maroden Laden jetzt ganz offen auf unserem Rücken. Anstatt länger ihre Geschäftsordnung zu beachten, zählen für uns jetzt Solidarität, Kampfgeist und eine handfeste Perspektive jenseits des Kapitalismus.

Wir sehen in der wirtschaftlichen Krise, die sich gerade vor uns aufbaut nicht nur einen umfassenden Angriff der Kapitalistenklasse auf die lohnabhängige Bevölkerung in einem Ausmaß, das es viele Jahrzehnte nicht mehr gegeben hat. Wir sehen in ihr genauso die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, ein enges Verhältnis zu den Widerspruchserfahrungen, Protesten und Kämpfen, die immer größere Teile unserer Klasse betreffen, aufzubauen: Die geplanten Massenentlassungen in der Metall- und Elektro-Industrie, das Wegkürzen von Beschäftigten im Einzelhandel, die unwürdigen Lebens- und Arbeitsverhältnisse migrantischer ArbeiterInnen im Agrarbereich, das gesteigerte Bewusstsein über die Unvereinbarkeit von Gesundheit und Profitwirtschaft, die vielfache Ausbeutung und Belastung von lohnabhängigen Frauen, ob durch Hausarbeit oder miese Jobs im Reproduktionsbereich…

All das gehört zusammen und gegen all das können wir uns wehren! Niemand muss den Gürtel enger schnallen, während deutsche Konzerne Dividenden an Aktionäre ausschütten und Steuergelder in Milliardenhöhe kassieren!

PK-Krisenzeitung

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Mit dieser Zeitung wollen wir Position beziehen: Die Krise in der Industrie, das Gesundheitswesen als Geschäftsmodell, eine Politik zur Unterstützung der Krisenverursacher und ein angeblicher Corona-Protest, der die Herrschenden nicht im geringsten stört: Die Missstände und Widersprüche dieser Gesellschaft werden nicht von selbsternannten neutralen ExpertInnen erklärt, beantwortet und gelöst, sondern in einer Auseinandersetzung, an wir alle, die jeden Tag von ihnen betroffen sind, beteiligt sind. Die Zeitung soll einen kleinen Teil dazu beitragen.

Demonstration am 18. Juli in Stuttgart

Demonstration: 14 Uhr | Marienplatz
Website vom Krisenbündnis: krisenbuendnis-stuttgart.org

Krisenzeitung Textversion

Vorwort

Die Wirtschaftskrise, die sich jetzt vor uns ausbreitet, soll auf unserem Rücken ausgetragen werden: Entlassungen, schlechtere Arbeitsbedingungen und Sozialabbau treffen immer uns Lohnabhängige. Das müssen wir nicht hinnehmen! Hier wollen wir Position beziehen und andere Perspektiven aufzeigen. Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet!

Für eine Gesellschaft, in der Produktion, Verteilung und Dienstleistungen unter demokratische Kontrolle gestellt werden und in den Händen der ArbeiterInnen liegen, die sie überhaupt erst ermöglichen. Eine nachhaltige Wirtschaft, die nach den Bedürfnissen der Menschen geplant wird, anstatt der privaten Profitjagd und chaotischen Märkten zu dienen. Eine Politik, die von denen selbst gestaltet wird, die sie betrifft: In Räten am Arbeitsplatz, in Stadtteilen, an Schulen und Unis.Wir wollen ein solidarisches, respektvolles Miteinander und das Recht auf Bildung und kulturelle Entfaltung nicht nur auf dem Papier! Für all das reichen kluge Worte aber nicht aus, dafür müssen wir als Klasse kämpfen und Gegenmacht von unten entwickeln. Revolution und Sozialismus – das mag altbacken klingen, bedeutet aber eine Zukunft voller Chancen und Möglichkeiten…

Streiken. Gerade jetzt.

Am Straßenrand stehen dutzende Schilder mit Solidaritätsbotschaften. Eine Feuertonne sorgt vor dem Zelt des Streikpostens für Wärme.

Während in Bayern die Corona-Beschränkungen das öffentliche Leben nahezu komplett zum

Erliegen gebracht haben, treten die Beschäftigten bei Voith in Sonthofen in den Streik. Unbefristet. Für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.

Die Metall- und Elektroindustrie befindet sich in einer Krise, die im einflussreichsten Wirtschaftssektor Deutschlands verheerende Auswirkungen haben wird. Schon lange vor Corona hat der Strukturwandel in vielen Betrieben für Auftragsrückgang und finanzielle Engpässe gesorgt. Eine viel diskutierte Ursache ist der Trend weg vom Verbrennungsmotor hin zum E-Auto. Tausende Betriebe und hunderttausende Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt von diesen Veränderungen betroffen. Auch andere Trends, wie beispielsweise die Digitalisierung, verstärken die derzeitigen Krisenerscheinungen.

Rasant an Fahrt aufgenommen haben viele negative Entwicklungen nun während des Corona-Lockdowns. Doch die Pandemie hat die Entwicklungen lediglich beschleunigt, nicht verursacht. Im Kapitalismus sind Krisen nichts ungewöhnliches. Sie treten insbesondere dann auf, wenn zu viele Waren produziert werden, für die es keinen Absatzmarkt gibt. Die deutsche Industrie könnte derzeit problemlos millionen Autos pro Jahr mehr produzieren, nur werden sie schlichtweg nicht benötigt. Doch schon jetzt wird durch Tricks wie die sogenannte „Umweltprämie“ die Nachfrage künstlich gesteigert und mehr produziert als eigentlich notwendig wäre. Selbst wenn es den Beschäftigten in der Automobilindustrie gelingt, die Ansiedlung von Zukunftstechnologien an den bestehenden Standorten zu erkämpfen, wird das den Wegfall von Arbeitsplätzen nicht ausgleichen können, solange das eigentliche Ziel weiterhin saftige Profite und Dividenden für die Bosse und Aktionäre sind.

Während Hunderttausende nun um ihre Jobs und damit ihre Existenzgrundlage bangen, sorgen sich die Manager und Aktienbesitzer um ihre Profite. In vielen Fällen, wie beispielsweise beim Automobilkonzern Daimler, mit großem Erfolg: saftige Dividendenauszahlungen an die Aktionäre, während ein Großteil der Belegschaft Kurzarbeitergeld aus Mitteln der Sozialversicherung erhält. Die ArbeiterInnen sollen Verzicht üben, während sich die Superreichen weiter bereichern – das ist die absurde Realität im Kapitalismus.

Doch damit nicht genug. Die Kapitalisten setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um die Krisenlasten weiter auf die Beschäftigten abzuwälzen. Auf tariflicher Ebene möchten die Arbeitgeberverbände die Abweichung vom Flächentarifvertrag zum Normalfall machen. Auf politischer Ebene sollen nahezu alle sozialen Errungenschaften zurückgedreht werden. So fordert Gesamtmetall, der Dachverband der Arbeitgeberverbände in der Metall- und Elektroindustrie, die Abschaffung der abschlagsfreien Rente mit 63 für langjährige Beschäftigte, die Ausweitung von Leiharbeit, eine Umverteilung der Sozialversicherungsbeiträge zum Nachteil der Beschäftigten und vieles mehr.

Die Ansagen sind unmissverständlich: Die Kapitalisten blasen zum Angriff. Während Gewerkschaften, Betriebsräte und politische Verbände in der Schockstarre verharren, geht die Gegenseite in die Vollen. Die Krisenlösungen, die sie propagieren, sind jedoch keineswegs alternativlos. Ganz im Gegenteil: Wirtschaftswachstum und die private Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums haben schon lange keine Zukunft mehr. Der gesellschaftliche Reichtum ist enorm, das Problem ist lediglich seine ungleiche Verteilung. Gerade in Krisenzeiten wird für viele Menschen offensichtlich, dass der Kapitalismus keine soziale Sicherheit und keinen Wohlstand bringt. Alternative Formen des Wirtschaftens sind nicht nur möglich, sie drängen sich regelrecht auf.

Der Streik in Sonthofen wurde inzwischen beendet. Das Voith-Werk wird in den kommenden Jahren abgewickelt. Dennoch war der Arbeitskampf ein wichtiger Schritt. Ein Sozialtarifvertrag regelt nun

wesentlich bessere Ausscheidungsbedingungen für die KollegInnen. Noch wichtiger ist aber das

politische Signal, das vom Arbeitskampf der Streikenden ausging. Denn nur wo gekämpft wird,

wird die ArbeiterInnenklasse zum gemeinsam handelnden Akteur. Dieses Gemeinsame ist entscheidend. Es ist die Voraussetzung dafür, dass Kämpfe zu Erfolgen werden. Das gilt im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen genauso wie im Kampf für ein besseres Gesellschaftssystem.

Unsere Gesundheit passt nicht in ihr System!
Krankenhäuser raus aus der Profitwirtschaft!

Ende März applaudierten die Herrschenden noch kräftig für die Arbeit der KollegInnen in den Krankenhäusern. Nun ist die Show vorbei und es zeigt sich, wie wenig dieses System tatsächlich für die HeldInnen des Alltags übrig hat.

Noch während dem Geklatsche wurde die gesetzlich mögliche Höchstarbeitszeit für Pflegekräfte von 10 auf 12 Stunden angehoben und die Personaluntergrenze, ein sowieso schon mangelhafter Schutz vor Überbelastung, ausgesetzt. Gerade einmal 3 von 130 Milliarden Euro des Krisen-Konjunkturpakets der Bundesregierung sollen in das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ fließen, in die Modernisierung der Ausstattung, Umgestaltung der Notaufnahmen, moderne Notfallkapazitäten und Verbesserung der IT-Struktur.

Nein, kein Cent des Programms ist eingeplant für die Beschäftigten in den Krankenhäusern. Mehr Personal und damit eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Pflege, sowie mehr Lohn soll es nicht geben. Eine Einmalzahlung von 300 Euro ändert daran nichts.

Und das in einem Berufsfeld, in dem seit Jahren Personalmangel, hohe Arbeitsbelastung und schlechte Bezahlung vorherrschen. Am Limit zu arbeiten war für die KollegInnen in den Kliniken und Pflegeheimen bereits vor Corona eher die Regel, als die Ausnahme: Seit 1995 wurde das Pflegepersonal um etwa 13% reduziert, knapp 500 Krankenhäuser wurden geschlossen. Dagegen stieg die Zahl der behandelten PatientInnen trotz gesunkener Bettenzahlen um etwa 12% an. Gleichzeitig arbeiten überdurchschnittlich viele KollegInnen, insbesondere Frauen, in Teilzeit in den schlecht bezahlten Krankenhausberufen. Politik und Unternehmen haben das nicht nur in Kauf genommen, sondern durch die Geschäftemacherei im Gesundheitswesen durch Privatisierungen von Krankenhäusern oder dem Outsourcing von Reinigungstätigkeiten aktiv befördert.

Auf der Suche nach profitträchtigen Anlagemöglichkeiten dringt das Kapital in öffentliche, gesellschaftliche Bereiche ein. Ungefähr 30% der Krankenhäuser sind heute in privater Hand, wie der Helios-Klinik-Konzern. Dass es solchen Konzernen nicht um eine möglichst gute Versorgung von PatientInnen geht, liegt auf der Hand. Mit der Durchsetzung der Fallpauschalen, also der Finanzierung der Krankenhäuser über die Kosten von Behandlungen, die in einem Katalog festgeschrieben werden, verschob sich der Schwerpunkt von der Gesundheit der Patientin hin zu teuren Behandlungen. Aufwendige OPs und Intensivmedizin bringen mehr, als Opa nach dem Leistenbruch noch ein paar Tage länger im Krankenhaus zu beobachten. Die reine Pflege nach einer OP ist unter den Fallpauschalen nämlich eher ein Minusgeschäft. Aus Gesundheitsversorgung wird Betriebswirtschaft. Es wäre nicht der Kapitalismus, wenn es für die Krankenhauskonzerne nicht normal wäre, Geschäfte mit der Gesundheit zu machen. Eine Rendite von über 12% sollte dabei für die Aktionäre schon herausspringen.

Die sich anbahnende globale Krise des Kapitalismus wird nicht, wie ein kurzes Sommergewitter, gleich wieder vorbei sein. Sie führt zu millionenfacher Kurzarbeit und Entlassungen, zu sinkenden Beiträgen in die gesetzliche Krankenversicherung, zu enormen Löchern in den öffentlichen Haushalten. Folgerichtig wird nach kapitalistischer Logik der weitere Abbau von Krankenhausbetten und Klinikschließungen schon jetzt wieder öffentlich gefordert – derzeit noch vereinzelt, wie in der Wirtschaftswoche, am 5. Juni: „In der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass Deutschland zu viele Krankenhäuser habe.“, aber umso deutlicher. Diese „Überkapazitäten“ müssten abgebaut werden. Reserven für Katastrophen bringen nun einmal keinen Gewinn ein. Die Gesundheitskrise, die miesen Arbeitsbedingungen und Löhne, das alles hat System.

Bitten an die Regierenden können wir uns dabei sparen. Wir sitzen nicht im selben Boot wie sie und schaffen das auch nicht gemeinsam. Nicht mit, sondern nur gegen die Konzernvorstände und Kapitalvertreter kann es die notwendigen Veränderungen geben. Nur im gemeinsamen, solidarischen Handeln der ArbeiterInnen und Angestellten in der Industrie, im Gesundheitswesen, im Handel und mit den KollegInnen, die heute bereits arbeitslos sind, werden wir die Gegenwehr von unten gegen die Krisenlösungen der Herrschenden vorbereiten und leisten können.

Alles nur eine große Verschwörung?
Der eigene Chef ist fein raus!

Zehntausende „Corona-Rebellen“ waren in den letzten Monaten auf der Straße um zu protestieren: Gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, gegen die zahlreichen Einschränkungen, die während der schnellen Ausbreitung der Pandemie verordnet und durchgesetzt wurden. Sicher: Da ist vieles nicht gerade demokratisch gelaufen und verlängerte Arbeitszeiten, Entlassungen, Kurzarbeit, während den Unternehmen großzügig geholfen wird, sind Gründe genug, um auf die Straße zu gehen! Die Grundgesetz-Demos waren aber nicht nur die falsche, sondern auch eine gefährliche Antwort.

Nach Ausbruch der Pandemie kursierte schnell ein wildes Angebot an Theorien im Internet, die entweder das Virus selbst oder die daraufhin in Gang gebrachten Maßnahmen als eine grandiose Inszenierung einer kleinen verschworenen Elite darstellten. So kurios die Theorien auch waren, sie haben einen Nerv getroffen und wurden zum festen Bestandteil der „Hygiene-“ oder „Grundgesetzdemos“. Es waren zwar auch Viele dabei, die sich gegen eine Politik wenden wollten, die das soziale Leben der Menschen einschränkt, die Schwächsten sich selbst überlässt und nicht einmal Wert auf eine oberflächliche demokratische Beteiligung legt. Sicher haben der eine oder die andere auch aus Sorge um die berufliche und soziale Zukunft protestiert. Der größte und lauteste Teil der Demos und Kundgebungen war aber weit entfernt von berechtigter Kritik und besseren sozialen Perspektiven: es waren AnhängerInnen von Verschwörungstheorien und unter ihnen ein nicht unerheblicher Teil AfD-Anhang, Nazis, Reichsbürger und fundamentalistische Christen. Alles Gruppierungen, die keinen Finger krumm machen würden, um die tatsächlichen Probleme der Menschen anzugehen, auf deren Rücken die aktuelle Krise ausgetragen wird.

Sie benutzten Begriffe wie „Widerstand“ und „Freiheit“ und zeigten auf das Grundgesetz. Dabei geht es ihnen nicht um den Widerstand der Belegschaften, der jetzt notwendig ist, um sich gegen die massenhaften Entlassungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zu wehren, die mit der eintretenden Wirtschaftskrise um sich greifen. Es geht ihnen auch nicht um Widerstand dagegen, dass die Kosten dieser Krise uns Beschäftigten aufgedrückt werden sollen, während die großen Vermögen geschont werden. Es geht ihnen erst recht nicht um die Freiheit der Geflüchteten, die aktuell noch abgeschotteter als zuvor in Lager und Unterkünfte gesperrt werden. Und genauso wenig geht es ihnen um die im Grundgesetz erwähnte Menschenwürde, die für migrantische ArbeiterInnen in den Schlachthöfen und auf den Spargelfeldern nicht zu gelten scheint. Unabhängig davon ändert auch das Grundgesetz nichts daran, dass 50% der Menschen in diesem Land nur 1,4% des Reichtums besitzen, dass im Kapitalismus immer hemmungslos ausgebeutet wird, der Staat diese Ausbeutung höchstens reguliert, aber nie verhindert und die Ärmsten der Armen in Kriegsgebiete abgeschoben werden dürfen.

Und gegen wen oder was soll dann ihrer Ansicht nach Widerstand geleistet werden? Wahlweise gegen verborgene dunkle Mächte oder ganz konkret gegen Bill Gates, der angeblich der Kopf einer großen Impf-Verschwörung sein soll. Das ist nicht nur eine Steilvorlage für antisemitische Weltbilder, es bleibt natürlich auch folgenlos, weil beide für uns unerreichbar sind. Für unsere „eigenen Kapitalisten“ ist das erfreulich, denn die alltägliche Ausbeutung durch den Chef im Betrieb wird zur Nebensache. Überhaupt: Konkrete Kämpfe für eine Verbesserung unserer sozialen Situation werden unwichtig und sinnlos – oft sogar zu einem Teil der ganz großen Verschwörung umgedeutet. Das ist fatal: Wer nicht verstehen will, dass die Gründe für soziale Ungerechtigkeiten und Missstände in dieser Welt sich offen vor unseren Augen abspielen, konkret sind und genauso konkret bekämpft werden können, der kann nur denen in die Hände spielen, die vom Status Quo profitieren: Unternehmen, Konzerne, Banken und eine politische Klasse, die deren Macht und Privilegien bewahrt.

Klar, Leute wie Jeff Bezos und Bill Gates müssen enteignet werden! Genauso wie der Rest der besitzenden Klasse, die unsere Arbeitskraft, den von uns geschaffenen gesellschaftlichen Reichtum und die natürlichen Ressourcen für ihre private Profitgier ausnutzen. Dafür brauchen wir aber keine Hetzer und Youtube-Geschichtenerzähler, sondern unter anderem die Arbeitskämpfe der Amazon-KollegInnen und den Kampf für vergesellschaftete Gesundheitssysteme, die unabhängig von privaten Stiftungen – ganz egal wer dahinter steht – funktionieren.

Klotzen statt kleckern: Politik für die Rettung der Reichen?!

Wer zahlt am Ende für diese Krise? Momentan wollen uns die Regierenden damit beruhigen, dass der Staat die riesigen Rettungs- und Konjunkturpakete finanziert. Doch wer wird später die hunderten Milliarden Steuergelder bezahlen? Wenn es nach den Kapitalisten und den ihnen wohlgesonnenen Politikern geht, dann werden wir das sein: Diejenigen, die den Sozialabbau am eigenen Leib zu spüren bekommen, die vom monatlichen Lohn abhängig sind und einer immer unsichereren Rente entgegenblicken.

Im März gab es von der Bundesregierung das 1,2 Billionen Euro teure Corona-Rettungspaket, das vor allem Unternehmern half. Jetzt wird das 130 Milliarden schwere Konjunkturpaket hinterher geschossen. Billiger einkaufen dank niedrigerer Mehrwertsteuer, Kinderbonus, günstigerer Strom – damit wollen die Regierenden von CDU/CSU und SPD uns einreden, sie hätten vor allem an uns gedacht. Schaut man genauer hin, sieht man aber in erster Linie wieder Wohltaten für Unternehmensbesitzer. Der größte Posten, die befristete Mehrwertsteuersenkung, soll ihre Verkaufszahlen durch niedrigere Preise in die Höhe treiben, darf aber auch direkt in ihren Taschen landen, wenn sie sich gegen eine Preisanpassung entscheiden. Das bleibt ihnen überlassen. Auch mit Stromsteuersenkung, Staatsaufträgen, Direkthilfen und Steuervergünstigungen für Firmen unterstützen die Regierenden jetzt vor allem die Chefetagen von Unternehmen. Die Kaufprämie für Elektroautos fließt direkt in die Kassen der Autokonzern-Clans, wie Quandt, Klatten und Porsche. Und das, was sie „Umweltprämie“ nennen, soll auch den Verkauf von SUV-Hybriden ankurbeln, also von klimaschädlichen Verbrennern mit zusätzlicher Batterie!

Für wen die Regierung jetzt da ist, zeigt auch das Lufthansa-Beispiel: Der Staat zahlt 9 Milliarden, um zu verhindern, dass das Unternehmen, das nur 4 Milliarden wert ist, Pleite geht. Gleichzeitig hat die Airline über 20.000 Entlassungen in den Raum gestellt und fordert harte Abstriche bei Lohn und Arbeitsbedingungen von den Beschäftigten. Das Regierungskommentar? Es sei nicht Aufgabe der Politik, sich in die Unternehmensführung einzumischen – solche Entscheidungen zu finanzieren aber offensichtlich schon. Auch die Kurzarbeit, die mit mindestens 7 Millionen Beschäftigten inzwischen so viele wie noch nie betrifft, ist Teil von diesem Kurs: Bei BMW wurden die Löhne wochenlang vom Kurzarbeitergeld, also aus unserer Arbeitslosenversicherung bezahlt. Durch eine kurzfristige Gesetzesänderung übernimmt der Staat dabei nun sogar alle Sozialabgaben für die Unternehmen. Gratis Arbeitskräfte auf Staatskosten also, während der Konzern ankündigt, in diesem Jahr 1,6 Milliarden Euro Dividende an seine Aktionäre auszuschütten. Und das ist nur eines der vielen Beispiele.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak fordert nun, dass die staatlichen Corona-Schulden bis 2030 abgebaut sein sollen. Und sein Parteikollege Friedrich Merz weiß sogar schon wie: „Wir sollten nach der Krise alle staatlichen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand stellen.“ Wir wissen, was das für das Sozialsystem, unsere Schulen und Krankenhäuser heißen wird. Höhere Einnahmen durch Steuern auf Gewinne von Unternehmen, die auch in der Krise noch profitieren, stehen nicht einmal zu Debatte. Der Multimillionär Merz hat übrigens nicht nur Chancen der nächste CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler zu werden. Er war auch jahrelang bezahlter Lobbyist von Blackrock, der weltgrößten Fondsgesellschaft, die maßgeblich an den Cum-Ex Geschäften beteiligt war, bei denen Banken zig Milliarden vom Staat ergaunert haben. Auch CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn will die Kosten auf uns abwälzen und schlägt vor, unsere Krankenkassenbeiträge drastisch zu erhöhen.

Wir machen uns keine Illusionen. In dem Geflecht aus Staat und Wirtschaft brauchen wir nicht auf Unterstützung hoffen. Auch wenn es Parteien und engagierte PolitikerInnen gibt, die aufrichtig etwas ändern wollen, ist es letzten Endes der wirtschaftliche Druck und sind es die Beziehungen, die über die großen Linien der Politik und den Geldfluss bestimmen. Wirklich etwas bewegen können wir, wenn wir uns unabhängig von ihren Einrichtungen und Beteiligungsregeln zusammenschließen und Druck auf der Straße und in den Betrieben aufbauen. Unsere sozialen Interessen spielen jetzt vielleicht die Nebenrolle, zusammengenommen und organisiert sind sie aber mächtiger als ein selbstgerechter Staat, der vor allem die Interessen einer kleinen Klasse von Kapitalisten zu verwalten hat.