Wessen Sicherheit?
In Zeiten niedriger Kriminalitätsstatistiken verwundert der Ausbau des Sicherheits- und Überwachungsstaates nur auf den ersten Blick. Denn die Sicherheit, die die Landesregierung im Blick hat, hat letztlich wenig mit der Sicherheit der Mehrheit im Ländle zu tun.
Die bereits erfolgte und die jetzt geplante Verschärfung des Polizeigesetzes hat im Kern zwei Ziele.
Langfristig soll das neue Gesetz die Stabilität der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse auch in turbulenten Zeiten garantieren. Seine herrschaftssichernde Funktion hat es nicht ohne Grund.
Der Kapitalismus hat auch in der Bundesrepublik eigentlich abgewirtschaftet und stürzt immer mehr Menschen in Existenznöte und Zukunftsängste. Die Krisenintervalle in der Wirtschaft verdichten sich zunehmend und der Klassenkampf von oben zieht im Herzen Europas spürbar an. Weitere Zuspitzungen auf dem Arbeitsmarkt, schlechtere Arbeitsbedingungen und der noch schnellere Abbau sozialer Sicherungssysteme sind letztendlich nur eine Frage der Zeit. Die gesellschaftlichen Widersprüche, die jetzt noch parlamentarisch abgefedert und medial geschickt verpackt werden, brechen früher oder später offen auf. Die weitreichenden Befugnisse der Polizei dienen dann, wenn es brennt, zur Durchsetzung der Interessen der Herrschenden.
Kurzfristig eröffnet das Polizeigesetz den Repressionsbehörden neue Möglichkeiten, um gegen die vorzugehen, die sich von der Polizei eben nicht alles gefallen lassen wollen: Die außerparlamentarische Linke, aufkeimende soziale Bewegungen, antifaschistische Initiativen, Umweltgruppen oder selbstbestimmte Fankurven.
Die neuen polizeilichen Befugnisse sollen auf Demonstrationen, in Stadien oder etwa bei Streiks unkontrollierte und staatlich unerwünschte Momente unterbinden. Sie zielen darauf ab, jede Selbstbestimmtheit im Keim zu ersticken und alle kollektiven Erfahrungen der Ermächtigung und des Widerstands zu verhindern.
Flankiert werden die Bestrebungen durch gezielte Angriffe auf einzelne AktivistInnen. Online-Durchsuchungen und präventive Haft ohne Urteil sollen nach dem Willen der Landesregierung zur Abschreckung beitragen. “Schau her, beim nächsten Mal kann es dich treffen.”
Eine Ordnung auf Sand gebaut
Medial verpackt wird der neuerliche Vorstoß der Landesregierung unter dem Schlagwort “Sicherheit”. Die Sicherheit die hier gemeint ist, hat wenig mit der Sicherheit zu tun, auf die so viele Menschen angewiesen sind. Schließlich wird die geplante Präventivhaft keine einzige Kündigung verhindern, keine Handgranate in Polizeihand wird häuslichen Übergriffen ein Ende setzen, kein LKA-Staatstrojaner die Schikanierung und Bedrohung von BetriebsrätInnen verhindern. Im Gegenteil.
Die erneute Polizeigesetzverschärfung soll eine Realität zementieren, die nicht in unserem Sinne ist. Der Kapitalismus ist weltweit Ursache für Krieg, Krisen und Armut. Wer von diesen gesellschaftlichen Verhältnissen profitiert, der sichert sie ab. Das, was uns als Sicherheit verkauft wird, ist letztlich ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat und ein direkter Angriff auf die wenigen, noch vorhandenen bürgerlichen Freiheiten. Genau deswegen betrifft die Gesetzesnovelle uns alle.
Zu Recht regt sich deshalb Widerstand. Mit einem Blick nach Bayern und Nordrhein-Westfalen gilt es auch in Baden-Württemberg eine breite Bewegung gegen das Gesetzesvorhaben in Stellung zu bringen und gleichzeitig eine antikapitalistische Perspektive aufzuzeigen. Ausgangspunkt ist die Abwehr des grün-schwarzen Angriffs auf die bürgerlichen Freiheiten. Dabei stehen zu bleiben reicht aber nicht aus, das Kernproblem bleibt der Kapitalismus. Das PolGBW ist eine weitere Stärkung der bürgerlichen Herrschaft – andere werden folgen.
Es liegt an uns diese Angriffe immer wieder zurückzuschlagen und letztlich den Spieß umzudrehen. Die Herrschenden wappnen sich für kommende Umbrüche. Ihre Angst ist unsere Zuversicht. Auch wenn es, gerade in Angesicht der aktuellen Verschärfungen, nicht immer leicht fällt diese aufrecht zu erhalten, so haben wir doch allen Grund dazu: Wir sind Unzählige, die gezwungen sind, diesem System ihre Arbeitskraft Tag für Tag bereitzustellen. Und das ohne auch nur annähernd in den Genuss des Reichtums und der Möglichkeiten zu kommen, die wir erschaffen. Ganz im Gegenteil. Wir werden ausgesondert, wenn wir gerade nicht benötigt werden und durch ständige Konkurenz untereinander in eine soziale Abwärtsspirale getrieben. Das erzeugt nicht nur Frust, sondern ist auch der Ausgangspunkt für eine klassenkämpferische Gegenbewegung, die die Zukunft der Gesellschaft in ihren Händen halten kann – wenn wir weiter auf vielfältige Art und Weise, solidarisch und konsequent unseren Teil dazu beitragen.
Der Profitsicherheit der Herrschenden stellen wir die Perspektive eines sicheren, menschenwürdiges Lebens in einer solidarischen Gesellschaft entgegen. Eine Bewegung die für diese Perspektive kämpft ist unmittelbar mit den Widerstand der Herrschenden konfrontiert. Will sie erfolgreich sein, so muss sie einen für die Repressionsbehörden unkontrollierbaren Charakter haben – auf der Straße, in den Betrieben und den Köpfen.
Kommt am 13. Juli 2019 auf die Bündnisdemo gegen das neue Polizeigesetz in Baden-Württemberg. Beteiligt euch am Unkontrollierbar-Block.
PolGBW verhindern, unkontrollierbar bleiben, Gegenmacht aufbauen
Aufrufende Gruppen: Revolutionäre Aktion Stuttgart, Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Mannheim, Antifaschistische Aktion Karlsruhe, Antifaschistische Aktion [O] Villingen-Schwenningen, Linke Aktion Villingen-Schwenningen