Ausgabe 172

KURZMELDUNGEN

*Proteste gegen Gaza-Krieg
Der erneute Krieg Israels gegen die PalästinenserInnen im Gaza-Streifen hat auch in Stuttgart für vielfältige Proteste gesorgt. Nachdem auf den Anitkriegsdemos zum Teil auch reaktionäre Gruppierungen aufgetaucht waren, hat am 16. August ein Bündnis aus linken Organisationen und palästinensischen Exilverbänden zu einer weiteren Demonstration aufgerufen. Trotz Ferienzeit beteiligten sich etwa 250 Menschen und demonstrierten gegen den Krieg und die israelische Besatzungspolitik, aber auch gegen Antisemitismus.
>> Hier findet Ihr einen Bericht und Aufruf

Störung von Kriegskundgebung. Mehrmals hatten Befürworter des Angriffs auf den Gaza-Streifen – u.a. sogenannte „antideutsche“ Ex-Linke, aber auch die rechtspopulistischen „PI-News“ – versucht Kundgebungen in der Stuttgarter Innenstadt abzuhalten und Proteste gegen den Krieg pauschal als antisemitisch zu verunglimpfen. Dies konnte zum Teil effektiv von internationalistischen AktivistInnen verhindert werden.
>> Ein Bericht findet Ihr auf der Website vom OTKM Stuttgart.

Wir haben einen ausführlichen Text veröffentlicht, der versucht die aktuellen Angriffe gegen die PalästinenserInnen in ihrem historischen Kontext, die Interessen der beteiligten imperialistischen Länder, sowie die verschiedenen palästinensischen Akteure zu beleuchten.

Der Text ist hier digital und als PDF zu finden oder liegt in gedruckter Form im Infoladen im Linken Zentrum Lilo Herrmann.
>> Text als PDF und in auf unserer Website

*Flugschrift zur Ukraine und Veranstaltung mit AntifaschistInnen aus der Region
Nach dem Regimewechsel in der Ukraine, führt die neue Regierung nach wie vor mit Unterstützung von faschistischen Kampfverbänden und Rückendeckung der EU und USA Krieg gegen die eigene Bevölkerung in der Ostukraine. Etwa 80 Personen diskutierten am 24. August anlässlich einer Delegationsreise ukrainischer AntifaschistInnen, die Lage im Land und die Möglichkeiten linke Kräfte vor Ort zu unterstützen.

Wir haben außerdem zusammen mit dem Zusammenschluß Perspektive Kommunismus eine ausführliche Flugschrift zur Situation in der Ukraine veröffentlicht. Insbesondere die Rolle der BRD und der EU gilt es bei dem reaktionären Umschwung zu bekämpfen.
>> Bericht zur Delegationsreise ukrainischer AntifaschistInnen | Flugschrift

*Antifaschistische Kundgebung in Deizisau
In der Region Esslingen kam es in den letzten Monaten vermehrt zu faschistischen Aktivitäten und Übergriffen. Etwa 90 AntifaschistInnen setzen daher am 19. Juli in Deizisau – einem der Brennpunkte der rechten Umtriebe – ein Zeichen gegen faschistische Gewalt und Hetze. Im Anschluss zog noch eine spontane antifaschistische Demo durch den Ort. Da es in der Nacht zuvor angeblich zu einer Auseinandersetzung vor der Wohnung eines Nazifunktionärs gekommen war, in deren Verlauf offenbar dessen Auto beschädigt wurde, versuchte die Polizei die KungebungsteilnehmerInnen zu schikanieren.
>> Hier geht’s zum Bericht.

*Arbeitskampf bei WMF
Bei WMF in Geislingen an der Steige, sollen etwa 700 Arbeitsplätze abgebaut werden. Bisher kam es zu mehreren Protestaktionen bei der größten beteiligten sich mehrere tausend ArbeiterInnen von WMF und anderen Betrieben an einer Umzingelung des Werks. Die Aktionen sollen im Herbst weitergehen und ausgeweitet werden.
>> Mehr Infos:  www.initiative-klasenkampf.tk

 *Demonstration für die kurdische Selbstverwaltung in Rojava (Nord-Syrien) und gegen den Terror des „Islamischen Staates“
Nachdem islamistische Gruppen in Syrien jahrelang direkt von engen Verbündeten westlicher imperialistischer Staaten, wie Saudi-Arabien, Katar und der Türkei, mit Geld und Waffen aufgebaut wurden, richtet der sogenannte „Islamische Staat“ nun seine barbarischen Angriffe vorwiegend gegen die kurdischen Gebiete im Irak und das selbstverwaltete Rojava. Für die Errungenschaften der in Räten organisierten Gesellschaft in Rojava und gegen den blutigen Terror der Islamisten demonstrierten etwa 250 Menschen in Stuttgart.
>> Weitere Infos
>>
Linksammlung zu Hintergrundinformationen zu Rojava findet ihr HIER

*Proteste gegen das Gefechtsübungszentrum
Ende August 2014 fand in der Altmark bei Magdeburg das dritte antimilitaristische War-Starts-Here-Camp statt. Auch in diesem Jahr beteiligten sich zahlreiche AntimilitaristInnen aus dem gesamten Bundesgebiet an dem einwöchigen Camp. Während der Woche gab es zahlreiche Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden. Zahlreiche Aktionen auf dem Gelände des GÜZ, im Zeitraum des Camps und am Aktionstag selbst, sorgten für eine gelungene aktionistische Komponente.

Durch vielfältigen Protest und kreativen Aktionen gelang es auch in diesem Jahr das GÜZ als zentralen Ort der deutschen und internationalen Kriegsführung zu entlarven.

>>Unvollständige Aktionszusammenfassung
>> Camp Website:  www.warstartsherecamp.org

 *1 Jahr Illegalität
Vor einem Jahr musste der Stuttgarter RASH-Aktivist (Red and Anarchist Skinheads) und Antifaschist Smily untertauchen. Ihn hätte ansonsten eine längere Haftstrafe aufgrund seines politischen Engagements erwartet. Außerdem versuchen die lokalen Staatschutzbehörden offenbar ihn in Verbindung mit einem Angriff auf NPD-Funktionäre anfang September 2013 zu bringen. Genau ein Jahr nach dem er bekannt gegeben hatte seine Haftstrafe nicht antreten zu werden, meldete er sich jetzt wieder mit einem längeren Text zu Wort, in dem er auf seine Situation in der Illegalität und die Repression die in dorthin getrieben hat, eingeht.
>> Erklärung des Genossen Smily

*Busfahrt zur Blockupy-Demo in Nürnberg
Am 4. Oktober findet im Rahmen der Blockupy-Proteste in Nürnberg eine antikapitalistische Demonstration statt. Anhand der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Migration, sollen die Auswirkungen der kapitalistischen Krise auf die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen und auf die Situation von Flüchtlingen thematisiert werden. Aus Stuttgart organisiert die Initiative Klassenkampf eine Busfahrt nach Nürnberg. Karten gibt’s im Infoladen des Linken Zentrums Lilo Herrmann oder unter  www.initiative-klassenkampf.tk
>> Weitere Infos:  www.redside.tk

 *AfD-Landesparteitag in Kirchheim/Teck
Ebenfalls am 4. Oktober plant die rechtspopulistische AfD ihren Landesparteitag in Kirchheim/Teck abzuhalten. Achtet auf weitere Ankündigungen!
>> Infos zu Gegenprotesten: www.antifa-stuttgart.tk

*Kampagne zur Eröffnung der „Primark“-Filiale in Stuttgart
Am 9. Oktober eröffnet im neuen Einkaufskomplex „Milaneo“ hinter dem Hauptbahnhof, eine Filiale der Modekette Primark. Diese gilt mittlerweile als Symbol für die extreme Ausbeutung süd-ost-asiatischer TextilarbeiterInnen, die in den letzten Jahren u.a. durch Brände und den Einsturz von Fabrikgebäuden zu mehren tausend Toten geführt hat. Im Rahmen der Kampagne wurde ein Reader mit Texten zum Thema veröffentlicht. Die Eröffnung selbst soll am 9.Oktober den ganzen Tag von Protesten begleitet sein.
>> Reader zur Kampagne
>>
Weitere Infos:  www.initiative-klassenkampf.tk

 *Demo und antikapitalistischer Block gegen Freihandelsabkommen TTIP
Am 11. Oktober demonstriert ein breites Bündnis gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA. Die Jugendorganisationen der Gewerkschaften Ver.di und IG Metall rufen zusammen mit der Initiative Klassenkampf zu einem antikapitalistischen Block auf der Demo auf.
>> Weitere Infos:  www.initiative-klassenkampf.tk

 *Antifaschistische Kampagne „Dran bleiben!“
Zwei Jahre lang fanden in Göppingen immer anfang/mitte Oktober überregionale Naziaufmärsche statt. Diese wurden jedes mal mit dem entschlossenen Widerstand mehrerer tausend Menschen konfrontiert und konnten nur durch einen gigantischen und äußerst brutalen Polizeieinsatz überhaupt durchgesetzt werden. Nach dem zwischenzeitlichen Verbot der faschistischen Gruppierung „AN-Göppingen“ erinnert die Kampagne an die staatliche Repression mit ihren dutzenden noch laufenden Verfahren und die Notwendigkeit von selbstorganisiertem, linken Widerstand gegen die Faschisten. Höhepunkt der Kampagne ist eine antifaschistische Demonstration am 11.Oktober in Göppingen. Die Demo beginnt im Anschluss an die Proteste gegen TTIP in Stuttgart am selben Tag.
>> Weitere Infos:  www.dran.bleiben.tk

 *Sommerfest des Linken Zentrums Lilo Herrmann
Am 20. September steigt das mittlerweile schon traditionelle Sommerfest des Linken Zentrums Lilo Herrmann. Ab 14.00 Uhr geht es los mit Live-Musik, politischen Stellwänden, Theater und vegetarischem und veganen Essen.
>> Weitere Infos: www.linkeszentrumstuttgart.org

VERANSTALTUNGSANKÜNDIGUNGEN

*Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung
Vor dem Hintergrund der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die mit der Agenda 2010 stark an Fahrt gewann, etablierte sich, kaum beachtet von einer breiten Öffentlichkeit, eine Vielzahl von Akteuren, die nur ein Ziel haben: Betriebe gewerkschaftsfrei zu halten, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern, bereits bestehende Gremien auszuschalten und die Rechte von Beschäftigten generell zu beschränken.
Wie Rechtsanwaltskanzleien, PR-Agenturen oder gelbe Gewerkschaften das machen, erläutert der Kölner Journalist Elmar Wigand anhand von Beispielen. Zusammen mit Werner Rügemer ist er u.a. Verfasser des Buches „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“, das Anfang Oktober im Papyrossa-Verlag erscheint.

Vortrag und Diskussion mit dem Journalisten Elmar Wigand (aktion./.arbeitsunrecht e.V.)

Donnerstag, 25. September um 19.00 Uhr
Linkes Zenrum Lilo Herrmann
Böblinger Str. 105, 70199 Stuttgart
>> Mobivideo:   https://www.youtube.com/watch?v=YEPurmky16E
>> Weitere Infos:  www.initiative-klassenkampf.org

 *Veranstaltung zum Widerstand im KZ Buchenwald
Am 30. September findet im Linken Zentrum Lilo Herrmann eine Veranstaltung zum Widerstand im KZ Buchenwald statt. Die Veranstaltung wird gehalten von Bernd Langer, welcher schon so manche informativen und interessanten Vorträge in Stuttgart gehalten hat!

Wir halten es für unbedingt notwendig, sich mit der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes auseinander zu setzen um für die eigene Arbeit zu lernen und denen zu Gedenken, die unter Einsatz ihres Lebens gegen den mörderischen Faschismus Widerstand geleistet haben. Daher: Kommt vorbei – remembering means fighting!

Dienstag, 30. September um 19.00 Uhr
Linkes Zentrum Lilo Herrmann
Böblinger Str. 105, 70199 Stuttgart
>> Weitere Infos:  www.antifa-stuttgart.tk

 *Veranstaltung: Frischer Wind bei alten Rechten? AfD – Die „Alternative für Deutschland“?
Mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) erreicht der europaweite Trend zur Bildung antieuropäischer, fremdenfeindlicher und marktradikaler Bewegungen und Parteien in rasanter Geschwindigkeit auch Deutschland.

Was sind Ursache und Anlass zur Gründung der AfD? Wer sind ihre Gründer und Macher? Woher kommen ihre Mitglieder und was verbindet sie? Welchen Platz in der politischen Landschaft wollen sie besetzen und wie sind die Erfolgsaussichten? Und was kann man dagegen tun?

Vortrag und Diskussion mit Thomas Willms (Berlin), Diplom Politikwissenschaftler und Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA
Eine Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) in Kooperation mit KOMMA – Jugend & Kultur und der Rosa Luxemburg Stiftung

Dienstag, 30. September um 19.00 Uhr
KOMMA Jugend und Kultur
Maille 59, 73728 Esslingen
>> Weitere Infos

MOBILISIERUNGEN


*Wir kommen um zu stören… Ausbeutung stoppen! – Kampagne gegen die Primark-Eröffnung
Am 9. Oktober werden wir die Eröffnung einer Primark Filiale im Stuttgarter „Milaneo“ kritisch begleiten. Uns geht es dabei nicht um eine allein auf Primark abzielende Kritik uns geht es um eine  Kritik am Großen Ganzen. Besonders der Einsturz der Produktionsstätte „Rana Plaza“ in Bangladesch sorgte in der breiten Öffentlichkeit für Empörung. Auch jenseits dieser besonders krassen Katastrophen sind die Bedingungen für die ArbeiterInnen in Fabriken die für Primark produzieren katastrophal. Extrem hohe Arbeitszeiten stehen dabei extrem niedrigen Löhnen, die gerade zum Überleben reichen, gegenüber. Sicherheitsvorkehrungen in den Fabriken gibt es meist nicht. Gewerkschaftliche Organisierungsversuche der ArbeiterInnen an den Produktionsstandorten von Primark werden wo es nur geht behindert. Der allergrößte Teil der Beschäftigten sind hierbei Frauen. Diese leisten die Akkordarbeit in den Fabriken und müssen zudem meist die Reproduktionsabreit in Familie und Haushalt tragen. Für die Profite von Konzernen wie Primark müssen Menschen in Ländern wie Bangladesch ein Leben als ArbeitssklavInnen führen.

Auch in Deutschland steht Primark immer wieder in der Kritik sei es aufgrund gesundheitsgefährdender Textilien oder der versuchten Bespitzelung von ArbeiterInnen bspw. in einer Primark-Filiale in Hannover.

Bezogen auf Stuttgart geht die Entstehung des neuen Europaviertels, in dem sich das Milaneo befindet, Hand in Hand mit der Vertreibung sozial schwächerer Schichten aus innerstädtischen Vierteln wie dem Eisenbahnerviertel in Stuttgart-Nord. Im Rahmen der Verwirklichung von Prestigeprojekten wie dem „Milaneo“ wird dabei eine Stadtumstrukturierung gegen das Interesse der breiten Bevölkerung betrieben.

Alle diese Auswirkungen sind Folgen der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Primark steht hierbei sinnbildlich für dieses Wirtschaftssystem. Wir wollen ein Zeichen gegen Ausbeutung setzen und kommen um zu stören!

Kundgebung, Aktionen, Film
Termin: 9. Oktober, Ab 16 Uhr, Milaneo, Stuttgart
>> Weitere Infos

* Wir bleiben dran! Faschistische Umtriebe konsequent bekämpfen! Antifaschismus ist und bleibt legitim!
Seit mehreren Jahren ist die Region Göppingen Schwerpunkt faschistischer Aktivitäten. Rund um eine Gruppe insbesondere junger Neonazis, die sich selbst als „Autonome Nationalisten (AN)“ bezeichnen, hatte sich eine der aktionistischsten und umtriebigsten Nazigruppierungen in Baden-Württemberg herausgebildet. Rechte Propaganda, öffentliche Auftritte und Übergriffe auf Andersdenkende und MigratInnen sorgten für eine unübersehbare faschistische Präsenz in und um Göppingen. Die offensichtlichsten Augenblicke für die wachsenden rechten Strukturen im Landkreis waren die faschistischen Aufmärsche im Oktober 2012 und 2013 mit jeweils etwa 150 Nazis.

Seit dem Aufkeimen neuer rechter Strukturen 2010 wurde die Region Göppingen zum Schwerpunkt antifaschistischer Aktivitäten, gerade weil das Wegschauen der örtlichen Stadtverwaltung und Polizei die Nazis in ihrem Tun sprichwörtlich bestärkte. Es waren antifaschistische Gruppen und Bündnisse die mit ihrer alltäglichen Präsenz und den Großmobilisierungen gegen die Oktoberaufmärsche für wahrnehmbaren Gegenwind sorgten. Annähernd 1500 Menschen beteiligten sich in beiden Jahren an den Mobilisierungen zur Verhinderung der rechten Demonstrationen und sahen sich dabei mit einem massiven Polizeiaufgebot konfrontiert. Polizeilichen Angriffen mit vielen Verletzten und den Ingewahrsamnahmen mehrerer hundert AntifaschistInnen folgten im Nachgang unzählige Verfahren, Verurteilungen und horrende Geldstrafen.

Zwar sorgten die Durchsuchungen des Landeskriminalamtes gegen die „Autonomen Nationalisten“ wegen der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach §129 im Frühjahr 2014 für die Abmeldung ihres für den 11. Oktober 2014 geplanten Aufmarsches in Göppingen. Das Naziproblem in der Region ist damit dennoch keinesfalls gelöst, allenfalls verschoben – das zeigen nicht zuletzt die faschistischen Aktivitäten der vergangenen Monate im benachbarten Landkreis Esslingen. Grund genug für die antifaschistischen Kräfte am Thema dran zu bleiben!

Dran bleiben: Den Nazis entgegentreten!!
Rechte Umtriebe sind im Landkreis Göppingen kein neues Phänomen. Bereits Mitte der 90er Jahre existierte in der schwäbischen Stadt neben einem aktiven NPD-Kreisverband und einer JN-Struktur mit dem „Stauffersturm“ auch eine lokale Kameradschaft. Die Rechtsrockbands „Division Staufen“ aus Donzdorf und „Tobsucht“ aus Kirchheim/Teck ergänzten das Potential der rechten Szene. Nach dem Brandanschlag auf das örtliche autonome Zentrum, für den einige der führenden Kader in den Knast wanderten, wurde es eine zeitlang ruhig um die rechten Kräfte in der Region. Zuletzt marschierten die Faschisten 2006 durch die Göppinger Innenstadt. Mit dem Jahr 2010 stieß dann eine Clique junger Neonazis rund um Manuel Ganser, einem gerade aus dem Knast entlassenen Neonazi, in das organisatorische Vakuum und etablierten relativ rasch mit den selbsternannten „Autonomen Nationalisten“ eine eigenständige Struktur. Neben dem bereits existenten Potential in Rechtsrock, NPD und JN, gelang es der Gruppe auch rechtsoffene Jugendliche zu organisieren.

Kleinkundgebungen zu tagespolitischen Themen, Störversuche bei Veranstaltungen gegen Rechts, Spontandemonstrationen, „Heldengedenken“, rechte Sprühereien und massenhaft Aufkleber bis hin zu konkreten Angriffen auf AntifaschistInnen und Aktionen gegen Unterkünfte für Geflüchtete – die Liste an Aktivitäten der Göppinger Nazis lässt sich beliebig erweiten. Unterstützung erhielten die Jungnazis dabei zumindest teilweise von dem mittlerweile verbotenen „Freien Netz Süd“, einem bayernweiten Kameradschaftszusammenschluss. Und auch der Göppinger NPD-Kreisverband fügte sich alsbald dem Führungsanspruch der „Autonomen Nationalisten“ und unterstützte ihre Aktionen. Darüber hinaus beteiligten sich die Göppinger Nazis an verschiedenen überregionalen Projekten., so beispielsweise an den als „Unsterbliche“ betitelten rassistischen nächtlichen Spontanaufmärschen, und wirkten auf die Entstehung aktionistischer Neonazizusammenhänge in anderen Regionen Baden-Württembergs hin.

Vorbild der Gruppe, aus der sich neben Ganser bald Daniel Reusch als Führungsfigur heraus kristallisierte, war die Dortmunder Neonaziszene, zu der praktisch seit Gründung gute Kontakte bestanden. In Dortmund hatte sich der faschistische „Nationale Widerstand Dortmund (NWDO)“ mit kontinuierlicher Straßenpräsenz, Aufmärschen und Übergriffen einen Freiraum geschaffen den auch die Göppinger Nazis anstrebten. Die Gründung einer Göppinger Gliederung der Partei „Die Rechte“ ließ dementsprechend nicht lange auf sich warten. „Die Rechte“ ist der Versuch Dortmunder Neonazis eine faschistische Kraft im rechten Lager zu etablieren, die sich wesentlich offener an die Politik und Praxis der NSDAP orientiert wie etwa die NPD. Zudem dient sie seit dem Verbot des „NWDO“ praktisch als dessen Folgeorganisation.

Der Aufbau neuer rechter Strukturen in Göppingen blieb von antifaschistischen Kreisen weder unbemerkt noch unbeantwortet. Während die Göppinger Stadtverwaltung das Problem totschwieg, waren es antifaschistische Gruppen und Zusammenschlüsse, die über Jahre hinweg kontinuierlich zu dem Erstarken der rechten Kräfte in Göppingen arbeiteten.

Der praktische Widerstand gegen die öffentlichen Auftritte der „Autonomen Nationalisten“ stand hierbei im Fokus. Nicht zuletzt seit der aufgrund von antifaschistischen Protesten, abgebrochenen Kundgebungstour der Nazis im Frühjahr 2012 gewann die antifaschistische Arbeit an Fahrt. Die im Zuge der Arbeit gegen die AN entstandenen regionalen antifaschistischen Netzwerke organisierten eine Vielfalt an Aktivitäten.Infoveranstaltungen sorgten in Göppingen für eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Naziproblem. Immer wieder entfernten AntifaschistInnen gemeinsam die rechte Propaganda im Stadtbild und organisierten Infostände, Kundgebungen und andere öffentlichkeitswirksame Aktionen. Hinzu kam der konkrete Widerstand gegen die vermeintliche Selbstsicherheit der Nazis.

So zerrten Outingaktionen praktisch alle in den LKA Ermittlungen benannten Nazis und weitere, schon lange vor den Durchsuchungen an die Öffentlichkeit.Einige davon zogen sich im Anschluss an die Aktionen aus den rechten Strukturen zurück, oder wechselten den Wohnort. Mal um Mal erlitten die Nazis obendrein auf der Straße erhebliche Rückschläge. Öffentlich angekündigte Aktionen der Faschisten konnten, wenn überhaupt, nur durch große Polizeieinsätze ermöglicht werden. So auch die beiden Oktoberaufmärsche 2012 und 2013.

Dran bleiben: Zusammenstehen bei Polizeigewalt und Repression!
In beiden Jahren waren es jeweils über 2000 Polizisten, die versuchten mit Reiterstaffeln, Hunden, Hubschraubern und schwerem Gerät die Aufmärsche der Faschisten durchzusetzen. Bezeichnend für den „Ausnahmezustand“ waren sicherlich die hunderte Meter Hamburger Gitter und Bauzäune, die in beiden Jahren Teile der Göppinger Innenstadt in eine durch einen Schutzwall umgebene Festung verwandelte und so je etwa 150 Nazis eine Route ermöglichte.

Im Gegensatz zum „roten Teppich“ für die aus der ganzen BRD angereisten Nazis, die mit Parolen wie „Ein Baum, ein Strick, ein Judengenick!“ oder „Nie wieder Israel“ unbehelligt ihre Aufmärsche durchführen konnten, sahen sich die AntifaschistInnen sowohl 2012 als auch 2013 mit massiven Angriffen der Polizei konfrontiert. Mindestens 100 AntifaschistInnen wurden durch Pfefferspray und Schlagstockeinsätze in beiden Jahren verletzt. 2013 kam es zu Knochenabsplitterungen, mehrere AktivistInnen erlitten Kopfplatzwunden und Gehirnerschütterungen. Das gewalttätige Vorgehen der Hunderschaften und BFE-Truppen ergänzte die Diskreditierung und die versuchte Spaltung des Protestes. Die Warnungen vor „gewalttätigen Linksextremisten“ und dem Aufruf des Göppinger Oberbürgermeisters keinen konkreten Widerstand gegen die rechten Demonstrationen zu leisten, schufen ein Klima in dem die enormen Polizeikontingente nahezu unhinterfragt agieren konnten.

So verwundert es kaum, dass schon 2012 mehrere hundert anreisende AntifaschistInnen am Göppinger Bahnhof in einem extra dafür aufgebauten „Käfig“ kontrolliert und über Stunden schikaniert wurden. Die über 500 Ingewahrsamahmen von NazigegnerInnen 2013 stellten dann eine neue Qualität staatlicher Repression gegen die antifaschistische Bewegung in Baden-Württemberg dar. Unzählige Videowägen, großräumige Gefangenentransporter sowie die gezielten Angriffe und Kesselungen durch BFE-Trupps ließen auf ein von langer Hand geplantes Vorgehen schließen.

Den Widerstand gegen die faschistischen Aufmärsche bekam die Polizei dennoch nicht in den Griff. Mehrere tausend Menschen folgten den Aufrufen antifaschistischer Bündnisse und beteiligten sich in beiden Jahren an den Blockadeversuchen und antifaschistischen Demonstrationen. Ergänzt wurde die spektrenübergreifende Mobilisierung durch das entschlossene und stellenweise militante Agieren mehrerer hundert AntifaschistInnen, die trotz militärischer Übermacht der Polizei 2012 eine enorme zeitliche Verspätung der Nazidemonstration und 2013 eine Routenverkürzung der Nazis erreichten.

Die staatlichen Angriffe auf die antifaschistischen AktivistInnen ebbten auch nach dem Ende der Proteste nicht ab. Staatsschutz und Staatsanwaltschaft überzogen AntifaschistInnen aus ganz Baden-Württemberg mit Verfahren und verhängten unter Anderem horrenden Geldstrafen, die sich insgesamt auf mehreren 10.000 Euro summierten. Der Übereifer der Ermittlungsbehörden zeigt sich dabei nicht nur an den letztlichen Einstellungen und Freisprüchen in einigen von ihnen forcierten Verfahren. Mit der Einleitung eines §129- Verfahrens durch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen unbekannte UrheberInnen eines antifaschistischen Mobilisierungsvideos wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ließen die Behörden kein Versuch aus den antifaschistischen Protest zu kriminalisieren. Das Instrument § 129, ursprünglich zum Kampf des bürgerlichen Staates gegen die revolutionäre Linke geschaffen, bildete dann auch die Grundlage des staatliche Vorgehens gegen die AN.

Dran bleiben: LKA – Weder Freund noch Helfer!
Unter Federführung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg durchsuchten, kurz nach dem alljährlichen Naziaufmarsch in Pforzheim, mehrere Dutzend Polizisten am 26. Februar 2014 insgesamt 19 Wohnungen in den Landkreisen Göppingen und Esslingen und nahmen dabei vier Nazis vorläufig in Untersuchungshaft. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft gegen die vermeintlichen Rädelsführer, darunter auch Daniel Reusch, wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ Anklage erhoben.

Sicherlich hat der immer größer werdende antifaschistische Druck in Göppingen und die generelle Sensibilität in der Bevölkerung für rechte Umtriebe nach dem Auffliegen des NSU-Komplexes mit dazu beigetragen, dass die Ermittlungsbehörden sich zum Handeln gegen die „Autonomen Nationalisten“ gezwungen sahen – auch um sich ein letztes Fünkchen Glaubwürdigkeit zu wahren. Daraus jedoch auf ein antifaschistisches Interesse des Staates zu schließen, wäre zu kurz gegriffen.

Der entschiedene Kampf gegen Rechts liegt nicht im Interesse des bürgerlichen Staates. Einzelne Verbote und Verfahren gegen faschistische Strukturen können darüber nicht hinwegtäuschen – schließlich sind die staatlichen Behörden weit davon entfernt die faschistische Bewegung wirklich nachhaltig zu zerschlagen.Faschisten waren und sind in Krisensituationen des kapitalistischen Systems immer eine Option der Besitzenden, um bestehenden Eigentums- und Abhängigkeisverhältnisse unangetastet zu lassen und gleichzeitig entschieden gegen fortschrittliche Kräfte vorzugehen. Das antikapitalistische und rebellische Antlitz, das sich insbesondere die selbsternannten „Autonomen Nationalisten Göppingen“ oder „Die Rechte“ zu geben versuchen, hat dementsprechend wenig mit der eigentlichen Rolle der Nazis zu tun.

Dran bleiben: Antifaschismus selbst in die Hand nehmen – die antifaschistische Aktion aufbauen!
Es liegt also an uns den faschistischen Umtrieben entgegenzutreten und einem rassistischen Klima in der BRD vorzubeugen. Dabei können und dürfen wir uns nicht auf leere Worte des Staates verlassen, sondern müssen den Kampf gegen Faschisten und rassistische Hetze selbst in die Hand nehmen. Ein Staat, der jahrelang dabei zuschaut, wie eine faschistische Terrorzelle Menschen ermordet, der einer faschistischen Partei wie der NPD finanzielle Unterstützung gewährt und Naziaufmärsche brutal durchprügeln lässt, kann hierbei nicht unser Ansprechpartner sein. Im Gegenteil: vielmehr muss es unsere Aufgabe sein selbst aktiv zu werden, antifaschistische Strukturen aufzubauen und uns zu organisieren. Denn nur so wird es uns langfristig gelingen, eine breite und handlungsfähige Bewegung gegen die Faschisten zu schaffen.

Dabei gilt es auch die staatlichen Angriffe auf die antifaschistische Bewegung gemeinsam zurück zuschlagen. Es sind Einzelne, die im Nachgang von Protesten herausgegriffen und verurteilt werden. Dennoch zielt die Repression auf die Teile der antifaschistischen Bewegung, die sich unabhängig von staatlichen Institutionen zusammenschließen und agieren. Dass einzelne Aktionsformen dabei nicht von vorne herein ausgeschlossen werden ist ebenso Ursache für staatliche Repression, wie Garant für erfolgreichen antifaschistischen Protest. So war es auch in Göppingen die Vielfalt der Widerstandsformen die über die Jahre hinweg für einen erfolgreichen Kampf gegen die „Autonomen Nationalisten“ gesorgt hat.

Mit den Durchsuchungen vom Frühjahr 2014 sind diese zwar strukturell weiter geschwächt worden und auch die Göppinger Stadtverwaltung kann das Problem nicht mehr von der Hand weisen. Dennoch wäre es der falsche Weg, sich auf der vermeintlichen Inaktivität der Nazis auszuruhen – das faschistische Potential in der Region ist nach wie vor vorhanden. Das zeigen nicht zuletzt die Aktivitäten der „Freien Nationalisten Esslingen“, einem ‘Ableger’ der Göppinger Nazis.

Das Wochenende im Oktober war die vergangenen beiden Jahre das Wochenende des Widerstands und der Reaktion auf die faschistischen Umtriebe. Am 11. Oktober 2014 holen wir uns in Göppingen die Straße zurück und setzten ein Zeichen für selbstbestimmten Antifaschismus und gegen die Kriminalisierung der legitimen und notwendigen antifaschistischen Proteste. Trotz städtischem Wegschauen, staatlicher Repression und Spaltungsversuchen: Wir bleiben dran!

Kommt am 11. Oktober 2014 nach Göppingen!
Gemeinsam gegen faschistische Umtriebe und staatliche Repression!
Die antifaschistische Aktion aufbauen!
>> Weitere Infos:
  https://dran.bleiben.tk


TERMINKALENDER

Donnerstag, 25. September: Veranstaltung | Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung
19.00 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann, Böblinger Str. 105, 70199 Stuttgart

Dienstag, 30. September: Veranstaltung | Selbstbefreiung und Widerstand im KZ Buchenwald – mit Bernd Langer
19.00 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann, Böblinger Str. 105, 70199 Stuttgart

Dienstag, 30. September: Veranstaltung | Frischer Wind bei alten Rechten? AfD – Die „Alternative für Deutschland“?
19.00 Uhr im Jugend- und Kulturzentrum KOMMA, Maille 59, 73728 Esslingen

Samstag, 4. Oktober: Demonstration und Busfahrt | From crisis to resistance! – Antikapitalistische Demonstration in Nürnberg
Karten im Infoladen Stuttgart

Samstag, 4. Oktober: Antifaschistische Proteste | AfD-Landesparteitag in Kirchheim/Teck
Achtet auf Ankündigungen! | www.antifa-stuttgart.tk

Samstag, 4. Oktober: Kundgebung | Internationaler Aktionstag gegen Drohnen >> Weitere Infos

Donnerstag, 9. Oktober: Kundgebung | Proteste gegen Primark-Eröffnung
Nachmittags beim Einkaufszentrum „Milaneo“

Samstag, 11. Oktober: Demonstration | TTIP stoppen!
12.00 Uhr Wilhelmsplatz Stuttgart

Samstag, 11.Oktober: Demonstration | Dran bleiben! Antifaschistische Demonstration in Göppingen

Achtet auf aktuelle Ankündigungen auf unserer Homepage!

Solidarische Grüße‭,
Revolutionäre Aktion Stuttgart