Fehler im System? Gegen den faschistischen Terror und seine Unterstützer!

Ab Mai 2013 stehen in München die faschistische Mörderin Beate Zschäpe, Mitglied des selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“, und 4 direkte Unterstützer der faschistischen Terrorzelle vor Gericht. Annähernd 13 Jahre lang mordete und bombte die Gruppe um Zschäpe unerkannt in der gesamten BRD, bis sie 2011 letztlich aufflog. Die bis dahin in den bürgerlichen Medien betriebene Spekulation über die Hintergründe der Morde beschränkte sich, ähnlich wie die Ermittlungsarbeit zur Aufklärung der Morde, ausschließlich auf einen möglicherweise kriminellen Hintergrund der Opfer, selbst die Hinterbliebenen wurden öffentlich diffamiert.Größere Öffentlichkeit und Empörung gab es lediglich nach der Erschießung der Polizistin Michele Kiesewetter 2007 in Heilbronn. Auch hier wurden jedoch erst einmal in der Nähe des Tatortes wohnende Sinti und Roma als Hauptverdächtige vernommen.
Erst Ende 2011, etwa ein Jahr nach dem Erscheinen des rassistischen Bestsellers von Thilo Sarrazin und der damit weiter geschürten rassistischen und sozialchauvinistischen Debatte, kam der Zusammenhang der Morde und damit die jahrelange organisierte faschistische Gewalt an die Öffentlichkeit.

Das Netzwerk der faschistischen Terrorzelle

In der medialen „NSU“-Debatte wurde die faschistische Terrorgruppe und ihre Mitglieder wiederholt als „Einzelgänger“ oder „Extremisten unter den Rechten“ bezeichnet. Auch der Verfassungsschutz sprach bei der bewaffneten Gruppe von „Einzelpersonen“ und „Kleinstgruppen“ und zeichnet damit das Bild einer kleinen, vom Rest der rechten Szene abgekoppelten, Struktur. Die Realität jedoch spricht eine andere Sprache.
Der selbsternannte „Nationalsozialistische Untergrund“ hatte während der gesamten Dauer seiner Existenz nicht nur Kontakte in die faschistische Bewegung, sondern rekrutierte sich aus ihr und war dementsprechend fest verankert. Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos – alle Mitglieder des NSU waren schon Jahre vor der Zeit in der Illegalität aktive und bekennende Neonazis. Bereits Mitte der 90er Jahre warnten antifaschistische Strukturen vor den Aktivitäten des „Thüringer Heimatschutzes (THS)“, einem Zusammenschluss militanter Kameradschaften, dem die späteren Mörder zu dieser Zeit angehörten. Der „THS“ war mit seinen knapp 140 Mitgliedern mit etwa 40 „V-Männern“ zeitlebens von verschiedenen deutschen Geheimdiensten unterwandert.
So genannte „V-Männer“ sind aktive und bekennende Neonazis, die dem Verfassungsschutz Informationen gegen Bezahlung liefern. Auch Uwe Mundlos sollte während seiner Zeit bei der Bundeswehr vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) angeworben werden, lehnte jedoch ab.

Doch auch nach dem Gang in die Illegalität, als dessen Auslöser 1998 der Fund von mehreren funktionsfähigen Rohrbomben in einer von Beate Zschäpe angemieteten Garage in Jena gesehen werden kann, blieben die Kontakte und die Vernetzung bestehen.
Ein Beispiel sind die Besuche von klandestin organisierten „Blood & Honour“ Rechtsrock-Konzerten der bereits illegalen Zwickauer Zelle. Schon 1998 schrieb Uwe Mundlos einen Artikel in „White Supremacy“, der damaligen Zeitschrift des internationalen militanten Neonazinetzwerks. Weitere Kontakte pflegten die drei faschistischen Mörder zum deutschen Ableger des KuKluxKlan (KKK), an dessen konspirativen Aktivitäten sie wiederholt bereits vor ihrem Leben im Untergrund teilnahmen.
Auch in finanzieller Hinsicht war die Existenz der NSU nicht ohne Wechselwirkung: Die Zwickauer Zelle ist neben den Morden und mehreren Sprengstoffanschlägen in der gesamten BRD, für zwölf Banküberfälle mit einer Gesamtbeute von etwa 500.000 Euro verantwortlich. Von dem erbeuteten Geld finanzierten sie neben Waffen und ihrem Leben im Untergrund auch andere faschistische Strukturen. So sollen 20.000 Euro direkt an Neonazis in Südtirol geflossen sein.
Am deutlichsten wird die Verknüpfung der rechten Terrortruppe mit der faschistischen Bewegung jedoch über die Kontakte des NSU zur derzeit stärksten faschistischen Organisation in der BRD, der NPD. Mit Ralf Wohlleben wurde 2011 ein NPD‘ler und mit Carsten Schultze 2012 ein ehemaliger Thüringer JN-Funktionär wegen Unterstützung des „NSU“ festgenommen. Beide sitzen mit Beate Zschäpe im kommenden Prozess in München auf der Anklagebank. Carsten Schultze hatte zu den im Untergrund lebenden Telefonkontakt und besorgte diesen eine Schusswaffe.
Fest steht, dass gerade die NPD und deren Funktionäre dem „NSU“ weit näher stehen, als sie zugeben: Die Politik der meist bieder auftretenden NPD unterscheidet sich von der der Nazimörder und militanten „freien Kameradschaften“ hauptsächlich in taktischen Fragen, zum Beispiel was Auftreten oder öffentliche Aktionsformen angeht. Die mörderische faschistische Ideologie, die hinter dieser Politik steht, ist in beiden Fällen die gleiche. Einziger Unterschied: Die NPD ist gezwungen bei öffentlichen Äußerungen mehr Rücksicht auf die Legalität ihrer Struktur zu nehmen.

Bewaffnete Neonazis?
Keine Seltenheit!

Dass sich Nazis und extrem Rechte bewaffnen und gezielt töten ist keine Seltenheit. Regelmäßig kommt es zu größeren Waffenfunden bei deutschen Nazis. Immer wieder wird bei solchen Gelegenheiten betont, es handle sich eben um „Waffennarren“. Dabei existieren seit Bestehen der BRD bewaffnete faschistische Organisationen. Den Anfang machte direkt nach dem zweiten Weltkrieg der sogenannte „Bund deutscher Jugend“ der sich aus ehemaligen Angehörigen faschistischer Verbände rekrutierte und neben umfangreichen Waffenlagern – u.a. mit NATO-Material gefüllt – auch schwarze Listen linker PolitikerInnen anlegte.
Die bewaffnete, militärisch aufgebaute Wehrsportgruppe Hoffmann war in den 1970ern bis zu ihrem Verbot 1980 für viele brutale Übergriffe verantwortlich. Bei der Durchsuchung eines Anwesens wurden unter anderem Granaten und Maschinenpistolen gefunden. Am 26. September 1980 verübte das Wehrsportgruppe Hoffmann-Mitglied Gundolf Köhler einen Bombenanschlag auf dem Oktoberfest. 13 Menschen starben, 211 wurden zum Teil schwer verletzt. Auch in diesem Fall sprachen die Behörden von einem „Einzeltäter“ und das, obwohl der Verfassungsschutz V-Männer innerhalb der Wehrsportgruppe platziert hatte. Erst seit dem Bekanntwerden des „NSU“-Terrors 2011 fordert der Münchner Stadtrat eine erneute Aufnahme der Ermittlungen. In diesem Zusammenhang gab es auch mehrere Hausdurchsuchungen bei ehemaligen Wehrsportgruppe Hoffmann-Mitgliedern, aufgrund des Verdachts, sie hätten Sprengstoff nach Jena gebracht.

Faschistische Morde?
Teil der Ideologie!

Seit 1990 wurden ca. 200 Menschen durch Faschisten in der Bundesrepublik ermordet. Auch in anderen Ländern auf der ganzen Welt gibt es faschistische und extrem rechte, bewaffnete Zellen. Die Morde des Rechtspopulisten Anders Breivik, der aus Hass auf den Islam und aus Antikommunismus im Jahr 2011 77 Menschen in Norwegen ermordete oder eines US-amerikanischen Mitglieds der sich selbst als faschistische „Elitetruppe“ sehenden „Hammerskins“ der 2012 sechs Menschen in einem Sikh-Tempel tötete, stehen nur beispielhaft für eine endlose Reihe rechter Morde in der ganzen Welt.
„Verwirrte Einzeltäter“, wie uns die Propaganda bürgerlicher Medien und staatlicher Stellen ständig weiß machen will, waren dabei so gut wie nie am Werk. Fast immer handelt es sich dagegen um Täter, die mehr oder weniger in die Strukturen der extremen Rechten eingebunden sind. Sie handeln entsprechend ihrer Ideologie, die in allem, was nicht in ihr beschränktes Weltbild passt, eine Bedrohung sieht, die es auszulöschen gilt. Die angeblich so „verwirrten Einzeltäter“ und „isolierten Kleinstzellen“ stehen damit in der Tradition aller faschistischen Bewegungen und Systeme, deren grausamer Höhepunkt historisch der deutsche Faschismus war. Nicht „verwirrte Einzeltäter“, sondern ein planmäßig von den herrschenden Eliten an die Macht gebrachtes System ist verantwortlich für die Zerschlagung jeglicher Opposition, den Weltkrieg mit 60 Millionen Toten und die industrielle und rational-organisierte Vernichtung von über 6 Millionen Jüdinnen und Juden, sowie hunderttausenden Sinti und Roma, Behinderten, GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen und KommunistInnen.

Staatlicher Faschismus?
Staatlich unterstützte Faschisten!

Seit dem die faschistische Terrorzelle “NSU” und die Aneinanderreihung von “Pannen“ bei der Arbeit des Verfassungsschutzes öffentlich geworden sind, werden verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und Hintergründe diskutiert.
Offensichtlich ist die bewusste Nichtbeachtung der Faschisten durch den Verfassungsschutz. Dass der Geheimdienst nicht das ganze Ausmaß des rechten Terrors kannte mag sein, dass er gar nichts wusste scheint bei der heutigen Faktenlage aber mehr als nur unwahrscheinlich. Dass er dennoch – anders als bei Ermittlungen gegen linke Gruppen seine leider immensen Möglichkeiten nicht nutzte – erklärt sich aus der Verfasstheit und der eigentlichen Funktion dieser Behörde. Gegründet von hochrangigen Nazis, richtete sich der Verfassungsschutz seit seinem Bestehen vor allem gegen die linke und revolutionäre Opposition. Seine Aufgabe war es von Anfang an und ist es bis heute die bestehende ungleiche Verteilung von Produktionsmitteln, Reichtum und Macht mit geheimdienstlichen Mitteln abzusichern. Diese eigentliche Agenda der präventiven Aufstandsbekämpfung ist es, die es dem Geheimdienst schon strukturell verunmöglicht effektiv gegen faschistische Bestrebungen vorzugehen. Dafür ist er einfach nicht geschaffen.
Auf der anderen Seite deutet momentan recht wenig auf eine gezielte staatliche Steuerung der rechten Mörder. So hat keine größere Kapitalfraktion oder der deutsche Verfassungsschutz ein objektives, direktes Interesse an faschistischen Terrorbanden, genauso wenig übrigens wie an einer allzu starken faschistischen Bewegung. Auch wenn wir stets Verschärfungen der Ausbeutung, der Repression und auch einen aggressiven deutschen Imperialismus feststellen können, schaffen es die regierende, besitzende Klasse und deren Handlanger noch recht zuverlässig, ihre Macht und ihre Interessen mithilfe der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie durchzusetzen.
Dass dies nicht so bleiben muss, ist allerdings ebenso richtig wie die Feststellung, dass die jetzige faschistische Szene durchaus auch einen gewissen Nutzen für die Herrschenden hat: Behördlicher, institutionalisierter Rassismus, die Sondergesetzgebung für Flüchtlinge, Massenabschiebungen und periodisch aufkommende rassistische Debatten in den Medien, erscheinen durch den Verweis auf die noch radikaleren Forderungen der „Rechtsextremisten“ als moderater und normaler Teil des politischen Meinungsspektrums. Während dies den rechten Schlägern als Rechtfertigung ihrer Taten dient, waschen sich bürgerliche Politiker so, egal wie menschenfeindlich und rechts ihre Politik eigentlich ist, vom Vorwurf des Rassismus rein.

Was nun?

Das Auffliegen des „NSU“ und die damit verbundene Debatte zeigt offen den systembedingten rechten Nährboden für faschistische Terrorzellen. Zwischen einem gesellschaftlichem Klima und Skandalanhäufungen in staatlichen Institutionen, die eine solche rechte Terrorbande morden lassen und einer direkten Unterstützung und Förderung faschistischer Strukturen liegt jedoch ein qualitativer Unterschied.
Eine Gesellschaft, die aus einem System entsteht, dass auf Ausgrenzung, Ausbeutung und Unterdrückung basiert, ist objektiv gesehen aber eben auch Grundvoraussetzung für faschistische Aktivitäten und Ideologie. Im Kapitalismus bestehen immer die Widersprüche zwischen den privilegierten Teilen der Gesellschaft und den Unterdrückten. Der Faschismus als potenziell letzte systemerhaltende Maßnahme bleibt daher auch solange das kapitalistische System besteht eine Herrschaftsoption.

Es gilt also uns zu einer starken und kämpferischen Front gegen diese zutiefst menschenverachtende Ideologie und Bewegung mit allen, die kein Interesse am Faschismus haben, zusammentun. Anstatt den Staat und seine Behörden als Ansprechpartner oder effektiven Akteur im antifaschistischen Kampf anzusehen, müssen wir selbst antifaschistische Strukturen aufbauen und möglichst viele Menschen in diesen Abwehrkampf miteinbeziehen.
Unter dem Schutz einer schlagkräftigen und organisierten Antifaschistischen Aktion gilt es eigene revolutionäre Alternativen zum System zu propagieren und zu erkämpfen. Wir müssen Stück für Stück daran arbeiten eine solidarische, kollektiv organisierte Welt, ohne Ausgrenzung, Ausbeutung und Unterdrückung zu erkämpfen, in der faschistische Strukturen keinen Platz haben.

Für den Kommunismus!

Anhang
Baden-Württemberg

Im Zuge der „NSU“-Debatte kamen auch mehrere Kontakte nach Baden-Württemberg ans Licht: So wurden unter anderem Anschlagspläne von zwei Zielen am Stuttgarter Nordbahnhof gefunden. Zudem war die faschistische Terrorzelle auch in Ludwigsburg unterwegs. Zwei Polizeibeamte der Böblinger Bereitschaftspolizei waren Mitglieder des rassistischen KKK, dessen Hauptzentrale sich über Jahre in Schwäbisch Hall befand. Einer der beiden ist der ehemalige Vorgesetzte der Polizistin Michele Kiesewetter und befand sich zum Zeitpunkt ihrer Erschießung, in der Nähe des Tatortes, am Heilbronner Hauptbahnhof. Der Reutlinger Neonazianwalt Steffen Hammer spielte mit seiner damaligen Neonaziband „Noie Werte“ die Hintergrundmusik für das Bekennervideo der Zwickauer Faschisten. Seine Kollegin, die Rastätter Neonazianwältin Nicole Schneiders, welche früher selbst in der Thüringer NPD aktiv war, verteidigt heute den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben.